Der moderne, äh – Touch

CDU-Politiker wollen mit ihrer Initiative für sprachlichen Verbraucherschutz gegen Anglizismen vorgehen. Betroffene Unternehmen wären auch Bahn und Telekom. Gibt es sonst keine Probleme?

Noch: Service Point Bald: Auskunft Noch: Call A Bike Bald: Miete ein RadNoch: Surf & Rail Bald: Weltnetzbasierter FahrkartenkaufNoch: Intercity Express Bald: Zwischenstädtischer Schnellzug Noch: Hotline Bald: Der heiße Draht Noch: Call Center Bald: Telefonische KundenberatungszentraleNoch: Call-in Game Show Bald: Dauerwerbesendung Noch: Daily Soap Bald: Qualitätsfernsehen

VON COSIMA SCHMITT

Sie haben sich gut gerüstet für ihre große Mission. Sie stellen Fläschchen mit Lidschattenentferner auf den Tisch. Sie haben mit Neonstift in der Bahn-Broschüre gewerkelt. Eine CDU-Politikerin hat gar die Gebrauchsanleitung ihres Dampfbügeleisens auf dem Tisch ausgerollt. Die Parlamentarier greifen zum Mikro und schimpfen los: Über „Carsharing“ und „Surf and Rail“ (die Bahn), über die „Steam Function“ (Bügeleisen) und den „Eye Make-up Remover“ (das Kosmetikprodukt). „Ein Drittel der Deutschen versteht kein Englisch. Die stehen dann vorm Videorekorder und wissen nicht, was mit ‚on‘ und ‚off‘ gemeint ist“, sagt CDU-Abgeordnete Erika Steinbach. Es ist eine engagierte Runde, die sich gestern im Reichstag versammelt hat. Vier Unionspolitiker präsentieren ihre neue Idee: Sie wollen „sprachlichen Verbraucherschutz“ betreiben. Der Kunde soll vor der allgegenwärtigen Verenglischung bewahrt werden.

Dieses Ziel verfolgen sie mit einer selten gehörten Argumentation: Sie beklagen mal nicht die Wortarmut der SMS-Generation, prangern mal nicht den Niedergang eines Kulturguts an – sondern verweisen auf die Verbraucherfeindlichkeit der vielen Anglizismen.

Doch das öffentlich zu erklären, erweist sich als gar nicht zu einfach. Wie will man die Deutschen animieren, sich auf die Wortmacht ihrer Sprache zu besinnen – wenn es auch ins eigene Vokabular so gerne das Englische einschleicht?

Schon die Pressesprecherin ringt ums korrekte Wort. „Auf Ihren Plätzen liegt das – oh, Handout darf ich ja nicht sagen. Da liegt das Papier aus.“ Der CDU-Parlamentarier Laurenz Meyer spricht vom „modernen Touch“, den sich Firmen gerne mit englischen Redewendungen geben, errötet, denkt nach. „Nun ja, touch, das sagt man eben so.“

Einerseits wollen die Politiker ankämpfen gegen „Coffee to go“ und „City Calls“ – aber als Sprachnörgler, die längst etablierte Redewendungen verdammen, möchten sie dann doch nicht dastehen. „Make-up bleibt Make-up“, sagt Julia Klöckner, Verbraucherschutzbeauftragte der Unions-Bundestagsfraktion. „Uns geht es nicht um Sprachfundamentalismus“. Sie seien „keine Fremdwortjäger“, sagt auch Menno Aden vom Verein Deutsche Sprache. Und Laurenz Meyer will bei allem Sprachschutz erst mal die Investorenfreiheit gesichert sehen: „Wir werden den Unternehmen keine Vorschriften machen wollen, mit welchen Formulierungen sie ihre Zielgruppen ansprechen wollen.“

So fällt denn auch überschaubar aus, was die Politiker konkret fordern: Die Regierung soll die eigenen Verlautbarungen und Werbetexte verständlich abfassen. Sie soll die Bahn drängen, dass sie Reisende auch in deutscher Sprache durch Bahnhöfe leitet. Zudem soll die Politik an die Wirtschaft appellieren, Gebrauchsanleitungen und Sicherheitshinweise auf Deutsch abzufassen. „Wir besprechen das derzeit mit den Kollegen der SPD“, sagt Klöckner.

So richtige Reformstimmung will da nicht aufkommen. Wer will schon bestreiten, dass eine Gebrauchsanleitung verständlich sein sollte – auch für den Schulabbrecher oder für den ostdeutschen Rentner, der in der Schule nur Russisch lernte? Wer sähe nicht ein, dass ein Hinweis auf der Spiritusflasche wenig nützt, wenn „Do not drink“ nicht verstanden wird?

Überdies bleibt fraglich, ob die Offensive – selbst wenn sie Rückhalt findet – das eigentliche Problem lösen kann: dass sich das Kriterium „Verständlichkeit“ nicht in allgemein gültige Vorschriften pressen lässt. Was hilft es dem Reisenden, wenn die Bahn ihr neues Produkt „Touch & Ride“ in „Fummeln & Fahren“ umtauft? Auch dann wird er kaum erahnen, dass damit das Bezahlen von Tickets übers Handy gemeint ist. Sich verständlich auszudrücken – das ist eine Frage der Mühe, nicht der Englisch-Ächtung.