Der Glanz eines Glanzlosen

MÜLLER WIRD REGIERENDER

Man kann seinen Sieg als spektakulär bezeichnen, und das wäre untertrieben: Michael Müller, bisher Stadtentwicklungssenator, hat den SPD-Mitgliederentscheid über die Wowereit-Nachfolge bereits in der ersten Runde gewonnen: Er erhielt fast 60 Prozent der Stimmen. Müller kann über seinen Erfolg jubeln. Aber richtig zeigen darf er das nicht. Noch nicht.

Denn der Triumph des Senators war zugleich die Schmach seines Rivalen. Parteichef Jan Stöß landete mit nur knapp 21 Prozent auf Platz zwei. Das abgeschlagen zu nennen, ist ebenfalls eine Untertreibung.

Stöß öffentlich zu düpieren wäre aber falsch. Er hatte die weitaus prominenteren Unterstützer für seine Kandidatur. Und auch wenn der Parteichef nun deutlich von der Basis in die zweite Reihe verwiesen wurde: Einen Stöß als permanenten Störfaktor kann sich Müller nicht leisten. Schließlich will er die Wahlen 2016 gewinnen.

Dafür braucht er die ganze Partei, also auch jene Funktionäre, die noch im Mai Stöß als Parteichef bestätigt hatten – wenn auch mit mageren 68 Prozent. Wie sich das Machtgefüge zwischen Müller und dem Parteichef in den nächsten Monaten verschiebt, wird spannend.

Erste Veränderungen könnten sich bereits beim Parteitag in zwei Wochen zeigen. Dort werden die Delegierten Müller als Regierenden nominieren; sowohl er wie auch Stöß werden reden. Spannend wird dabei auch sein, inwieweit die Klatsche für Stöß auch als Absage an sein explizit linkes Programm interpretiert wird: Stöß hatte unter anderem hohe Investitionen in den Wohnungsbau gefordert, Müller dies als unseriös, weil nicht finanzierbar, abgelehnt.

Einen weiteren, wenn auch kleinen Erfolg konnte Müller Mitte der Woche verbuchen: Eine Umfrage ergab, dass die SPD erstmals seit Langem wieder vor der CDU lag, wenn auch nur mit einem Prozentpunkt. „Glänzend“ sieht anders aus. Aber es sind ja auch noch fast zwei Jahre bis zur Abgeordnetenhauswahl.

BERT SCHULZ