Freie Improvisation und freier Himmel

JAZZ-OPEN-AIR Am Wochenende bringt das Jazzbüro Hamburg zum 16. Mal internationalen und lokalen Jazz auf die Bühne der Musikmuschel in Planten un Blomen. Bei freiem Eintritt sind am Samstag und Sonntag zehn Bands und Solisten zu hören

Mit einem „Hamburg Ensemble“ ist auch Dieter Glawischnig zu hören

VON ROBERT MATTHIES

„Die Hoffnung tanzt mit einem Schirm auf dem Drahtseil. Und mit jedem Schritt auf diesem Seil kann man sich verletzen“, singt die „Königin der Música Popular Brasileira“ Elis Regina 1979 in „O Bêbado e a Equilibrista“ – „Der Betrunkene und der Akrobat“. Geschrieben hat das Lied aus der Zeit der Militärdiktatur der Gitarrist und Songwriter João Bosco gemeinsam mit dem Psychiater und Dichter Alvin Blanc. Und es hat noch heute seinen festen Platz im brasilianischen Alltag: Vergessen werden die MusikerInnen der NDR Bigband sicher nicht, wie weit über 1.000 singende Menschen in der Sala São Paulo die brasilianische Ikone und die Jazzband aus Hamburg auf der gemeinsamen Tour durch das südamerikanische Land gefeiert haben.

Ganz so inbrünstig wird das Publikum am Samstagabend vor der Musikmuschel in Planten un Blomen die brasilianisch-deutsche Zusammenarbeit vielleicht nicht bejubeln, Begeisterung wird ihr Auftritt zum Ausklang des ersten Tages des diesjährigen Jazz Open aber auch hier auslösen. Einmalig wird der in jedem Fall sein: Nie zuvor hat João Bosco mit einer Bigband zusammengespielt. Und ist bis heute immer wieder überrascht, dass deren SolistInnen seine Stücke – in weit über 250 Stücken hat er seit Ende der 1960er über den Karneval und die Liebe gesungen und die sozialen Missstände auch nach dem Ende des Militärregimes zur Sprache gebracht – jeden Abend ganz neu erfinden.

Zehn Jazzbands und -solisten bringt das Jazzbüro Hamburg am Samstag und Sonntag zum 16. Mal vor rund 10.000 Jazzfreunden unter freiem Himmel und bei freiem Eintritt auf die Bühne. Von 15 Uhr bis zum späten Abend gibt es dabei vor allem Jazz aus Hamburg zu hören. Ausschließlich Kompositionen hiesiger Komponisten zu spielen hat sich etwa das Jazzhaus Orchestra Hamburg bei seiner Gründung 1999 vorgenommen. Von der Bigband mit Studierenden und Absolventen der Musikhochschule gibt es zum Auftakt am Samstagnachmittag Stücke des Pianisten Mischa Schumann. Im Anschluss präsentieren Nina Leni & Nanorange eine ungewöhnliche Lesart des Jazztrios: zu Lenis Stimme und Lukas Klapps Piano gesellt sich der Bassposaunist der NDR Bigband Ingo Lahme. Mit einem „Hamburg Ensemble“ ist auch der ehemalige NDR-Bigband-Chefdirigent, Musikhochschulprofessor und Jazz-und-Jandl-Verknüpfer Dieter Glawischnig zu hören. Gemeinsam mit einer erlesenen Auswahl Hamburger Jazzmusiker stellt sich Glawischnig am Samstag in die Tradition der freien Improvisation: gemeinsam aufwecken und verändern.

Aus Barcelona zu Gast ist wiederum das Biel Ballester Trio, das am frühen Sonntagabend zu hören ist. Die Katalanen verbinden Swing im Geiste Django Reinhardts mit Bossa, Bolero und Rock und haben damit längst weltweit Jazzliebhaber wie Woody Allen überzeugt: der hat die Musik des Trios schon vor drei Jahren in seiner Komödie Film „Vicky Cristina Barcelona“ verwendet.

■ Sa, 25. 6. und So, 26. 6., Musikmuschel in Planten un Blomen, Tiergartenstraße