Denkt und sammelt!

Oldenburg bewirbt sich um den Titel „Stadt der Wissenschaft 2009“. Das Konzept ist vage, deshalb wurde ein Kampagnenbüro eröffnet. Dort soll die Bevölkerung ihre Ideen abgeben, die die Stadt nicht hat. Viel ist dabei noch nicht herausgekommen. „Das ist eine offene Flanke“, heißt es bei der Kampa

Oberbürgermeister Gerd Schwandner verlässt sich nicht nur auf die Haltestellentaufe, er erteilt auch Nachhilfe

AUS OLDENBURG FELIX ZIMMERMANN

Es gab eine Bushaltestelle in Oldenburg, die hieß „Auguststraße“. Sie hieß schon lange so, bis sie vor wenigen Tagen in „Fachhochschule“ umbenannt wurde, weil sich Oldenburg um den Titel „Stadt der Wissenschaft 2009“ bewirbt. Der Titel wird vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft vergeben, Preisgeld: 250.000 Euro. Gefördert wird die Stadt, die am überzeugendsten ihre wissenschaftlichen Einrichtungen mit ihrer Bevölkerung vernetzt, und zeigt, dass sie Wissenschaft als Motor für die Stadtentwicklung nutzen will.

Der Titel ist auch gut fürs Renommee: Wer bis dahin nicht wusste, dass Oldenburg eine Uni und eine FH hat, könnte dann wissen, dass Oldenburg eine Uni hat und eine FH. Damit es klappt mit dem Titel, musste nun die Bushaltestelle „Auguststraße“ daran glauben, weil sie direkt vor der FH liegt.

Es ging vor allem darum, schon in der Frühphase der Bewerbung die Durchdringung Oldenburgs mit der Wissenschaft zu zeigen. Für Gerd Schwandner, seit November 2006 Oldenburgs Oberbürgermeister, bedeutete die Umbenennungszeremonie den Schritt nach ganz oben – auf eine Trittleiter, von der aus er das neue Haltestellenschild enthüllte und diese Aktion in den Dienst der Bewerbung stellte: „Die Hochschule ist durch die Nennung im öffentlichen Personennahverkehr noch präsenter“, sagte Schwandner, jetzt sei „in den gedruckten Fahrplänen, den automatischen Haltestellenansagen im Bus und bei der elektronischen Fahrplanauskunft deutlich erkennbar, dass die Stadt Oldenburg eine Fachhochschule hat und sehr stolz darauf ist“, sagte Schwandner, der vor der Wahl zum Oberbürgermeister Professor für Marketing war. Eine Haltestelle der Buslinien 306 und 310. Ob die Bewerbung damit auf einem guten Weg ist?

Für 2005 hatte sich die Stadt schon einmal ins Rennen um den Titel begeben und scheiterte. „Damals entwickelte ein kleiner Personenkreis das Programm, eine Werbeagentur sollte das aufhübschen“, sagt Rainer Lisowski, Schwandners Mann für „Strategische Wissenschaftsentwicklung“. Eine Pressemitteilung gab es, mehr Öffentlichkeit war nicht erwünscht. Dieser Fehler soll nicht wiederholt werden: Jetzt gibt es schon zwei Pressemitteilungen, eine kündete von der Eröffnung des Kampagnenbüros im Lappan, das die breite Beteiligung der Oldenburgerinnen und Oldenburger sichern soll. In dem Backsteintürmchen aus dem Mittelalter, Oldenburgs Wahrzeichen mitten in der Fußgängerzone, sollen sie ihre Ideen für die Bewerbung abliefern. An der Fassade fordert ein Banner mit dem Slogan „Denkmal!“ zum Mitmachen auf. Aber es scheint, als sei die Kampa genau so wie die Bushaltestelle nur die Verpackung einer Bewerbung ohne Konzept.

Freitag vor Pfingsten, morgens um kurz nach neun, ein Versuchsbesuch in der Oldenburger Kampa im Lappan. Zwischen neun und 13 Uhr soll jemand da sein. Aber wo ist der Eingang? Die einzige Tür führt ins Reisebüro im Erdgeschoss, aber das öffnet erst um halb zehn. Anruf bei der Stadt. Was ist los mit der Kampa, wer wartet da auf Ideen, wie kommt man rein? Ganz blöd, sagt Stadtsprecher Marco Sagurna, das man ausgerechnet heute anrufe, er entschuldigt die Kampa-Kollegen: „Die haben die letzten vier Tage so gekeult, die brauchten heute erst mal einen freien Tag.“

Dann eben zuerst zu Uwe Schneidewind, dem Präsidenten der Carl-von-Ossietzky-Universität. Was ist das Oldenburger Konzept für den Wissenschafts-Wettbewerb? Schneidewind sagt, dass seine Uni bei der Gründung in den 70ern belächelt wurde, aber längst in der Stadt angekommen sei. „Jetzt braucht es den nächsten Quantensprung, die Verbindung von Stadt und Wissenschaft als Zukunfstkomponente“, sagt er. Aber wie? Er sagt, die Uni mit der Hörforschung, dem Energieschwerpunkt und der renommierten Informatik werde ein Motor sein bei der Bewerbung. Dann verweist er auf die Bürgerbeteiligung, bis Juli soll die „viele Ideen für den Wettbewerb generieren“, daraus werde ein schlüssiges Konzept entwickelt. Außerdem setzt Schneidewind auf die Verbindung zur Partnerstadt Groningen „mit einer der 20 besten Unis in Europa“. Ob das reicht? Fest steht: „Wir müssen richtig, richtig gut sein, damit der Preis in den Norden geht“, sagt Schneidewind.

So wie 2005, als sich Bremen bei der ersten Ausschreibung des Stifterverbandes durchsetzte, und zuletzt, als Braunschweig der Titel „Stadt der Wissenschaft 2007“ verliehen wurde.

Am Nachmittag dann doch noch der Besuch in der Lappan-Kampa. Durchs Reisebüro, Treppe rauf, am Aktenregal vorbei. Grauer Nadelfilz, eine Zimmerpalme, ein Schreibtisch, ein Computer, drei Butzenscheiben. Rainer Lisowski empfängt, er hat über „Strategische Planung von Kampagnen in Wirtschaft und Politik“ promoviert, Schwandner hat ihn geholt, das hier ist sein erstes großes Projekt. Was will er tun, bis Ende Oktober die Bewerbungsunterlagen eingereicht werden müssen? Zunächst will er „200 außergewöhnliche Menschen an ungewöhnlichen Orten zu Ideenschmieden“ zusammenbringen. Lisowski denkt an Kulturschaffende, die sich in der brach liegenden Alten Fleischwarenfabrik oder dem unterirdischen Katastrophenkrankenhaus treffen, an spannenden Orten, die Kreativität freisetzen. Die sollen denken und herumspinnen, daraus und aus den Bürgerideen soll mit Uni und FH ein Programm entwickelt werden. „Wir sind nicht die Stadt, die 20 Max-Planck-Institute hat“, deshalb wird breit gesammelt. „Den Filter können wir immer noch einbauen“, sagt Lisowski. Ein Bürger sei schon im Kampagnenbüro gewesen, der Kristallphotos macht. Lisowski legt die Mappe mit den Bildern auf den Tisch und sagt, „dass ist genau das, was wir wollen“. Er ahnt, das die Zeit knapp ist, er weiß, dass das Konzept noch ausgearbeitet werden muss. „Das ist eine offene Flanke“, sagt er, aber er signalisiert, dass er die Stadt auf einem guten Weg sieht.

Und Schwandner? Der verlässt sich nicht nur auf die Haltestellentaufe, um für die Durchdringung seiner Stadt mit Wissenschaft zu werben, die bei der Jury-Entscheidung des Stifterverbandes eine große Rolle spielen wird. Weil Schwandner ein weltläufiger Mann ist, seine Stadt aber noch nicht so sehr, erteilt er Nachhilfe. In seiner wöchentlichen Kolumne auf oldenburg.de erklärt er, warum Wissenschaft so wichtig ist: „Denken Sie nur an die Physik oder an die Biologie. Täglich wissen wir mehr über das Universum oder über uns Menschen. Und nicht zuletzt ist es die Wissenschaft, die uns das Leben ermöglicht, das wir heute führen. Auto, Fernsehen, Computer – ohne sie wäre all das unvorstellbar.“ Echtes Basiswissen, und jetzt ab in die Kampa.