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: Mückenstich und Drachenbiss

Jörg Hilberts „Littelbit verkleidet sich“ spricht kleine Möchtegernprinzessinnen an, ohne ihnen Glitzernagellack und Lippenstift andrehen zu wollen: Das Littelbit erprobt alle Facetten des Prinzessinnenspiels, um als ungeschminktes Kind wieder zum Vorschein zu kommen.

Alter: ab 3 Jahren

Story: In sieben gereimten Geschichtchen erzählt Jörg Hilbert, wie die verkleidete Littelbit ihre Alltagswelt umdichtet: Heute ist sie Prinzessin. Drei freche Feen haben einst ihr Schloss in eine Erdgeschosswohnung verwandelt. Mama und Papa sind eigentlich König und Königin, ihr Teddy ein edles Pferd. Was Mutter Mückenstich nennt, ist ein Drachenbiss. Der Frosch im Garten wird nach einem Kuss natürlich zum Prinzen. Allerdings ist er zu groß, darf aber in zwanzig Jahren noch mal vorbeischauen. Das ständige Lächeln und das Lob fürs Essen bei Tisch sind bloß Spiel: „Wär’ ich aber nicht Prinzessin, riefe ich ganz uncharmant: keine Lust, das Zeug zu fressen, dalli, ich will Nachtisch essen und ein Eis in jede Hand!“ Am Ende siegt Lillibits Drang nach Trotz und Dreck über das märchenhafte Korsett. Littelbit stopft das schmucke Kleid wieder in den Schrank und geht draußen toben.

Leserausch: Das Büchlein im handlichen Format zeigt auf jeder Seite eine große Illustration, die keinen Zweifel darüber lässt, dass sie von „Ritter Rost“-Erfinder Jörg Hilbert stammt. Unter jedem Bild sind vier Zeilen, an deren Reim sich der Vorlesende allerdings erst gewöhnen muss. Text und Illustrationen sind mit Witz und originellen Einfällen gespickt. Die Befürchtung, Mädchen würden hier mit süßlichen Quatsch gefüttert, kann man getrost vergessen. Schwer ist es, der Versuchung zu widerstehen, nach einer CD zu suchen. Aber leider ist Littelbit kein Musical wie „Ritter Rost“, das aus der wunderbaren Verschmelzung von Hilberts Text und Illustrationen und den unschlagbaren Musikarrangements von Felix Janosa entstanden ist. (Wer die „Ritter Rost“-Bücher/-CDs nicht kennt, dem seien sie wärmstens empfohlen.) Potter-Faktor 2

Weltwissen: Das Büchlein greift die Lust kleiner Mädchen am Prinzessinnenspiel auf, ohne sie mit rosa Kitsch und Glitzer zu ködern. Hilberts Littelbit kommt klein und unauffällig daher: Wir folgen ihr auf ihrer Fantasiereise, die sie durch Verkleiden und Schminken betritt und durch Entkleiden am Ende wieder verlässt. Sich schön machen und verkleiden, beflügelt die Fantasie. Prinzessin spielen macht Spaß, aber immer nur schön sein ist mit der Zeit öde. Es gibt ein Mädchenleben jenseits des rosa Prinzessinnenhimmels. Pisa-Faktor 3

SARAH WILDEISEN

Jörg Hilbert: „Littelbit verkleidet sich“. Terzio Verlag 2007, 8,90 €