Zeltstadt und Softporno

VORFREUDE Wolfsburg ist der einzige Spielort der Frauenfußball-WM im Norden. Zu bemerken ist davon so viel noch nicht

Ein älterer Herr schaut den Aufbauarbeiten zu, outet sich auf Nachfrage aber als Frauenfußball-Muffel

Schräg gegenüber des Bahnhofs wirbt Felix Magath vom Plakat für die VfL-Dauerkarte. Von der Frauenfußball-Weltmeisterschaft, die ab dem 27. Juni mit immerhin vier Spielen in der örtlichen Arena gastiert, ist hier noch nichts zu spüren. Kurzer Abstecher in die Designer-Outlets nebenan. Aber auch in den Filialen der einschlägigen Sportausstatter erst einmal Fehlanzeige: Maria Sharapowa, Roger Federer oder Tiger Woods zieren die Fassade eines großen Anbieters.

„Wir sind gewappnet“, sagt die Filialleiterin eines Modehauses, seit Jogi Löws schönem blauen WM-Cashmere-Pullover bestens bekannt als offizieller Ausstatter – der deutschen Herren-Nationalmannschaft. Die Personaleinsatzpläne der Filiale, sagt sie, seien schon auf die WM abgestimmt. Zur nächsten Woche gebe es dann auch ein Schaufenster, wahrscheinlich mit zwei Herren und einer Dame, allesamt in der Sport-Linie des Hauses. Sie selbst sei kein Fußball-Fan, auch ihr Sohn finde Frauenfußball doof, aber während der WM würde sie dann im Geschäft schon auch die Sportsachen tragen. Und ja, ein bisschen zusätzliche Werbung und Kundschaft erhofft sich die Filialleiterin auch: weil die US-Mannschaft ja in unmittelbarer Nähe ihr Fan-Lager aufschlagen möchte.

Weiter geht es in die Innenstadt, wo eine veritable Fan-Meile eingerichtet werden soll. Zwischen all den schrecklichen Pavillons der Fußgängerzone hat Wolfsburgs Stadtbaurätin Monika Thomas sogar noch Platz gefunden für einen stationären gläsernen Dachpilz. Darunter entsteht eine temporäre, teils zweigeschossige Zeltstadt – irgendwo müssen sich die angepeilten vier- bis fünftausend Zuschauer des Public Viewing ja versammeln können. „Zur Auftaktparty letzten Samstag am Allersee sollen schon 25.000 Leute gekommen sein“, sagt ein älterer Herr, der den Aufbauarbeiten zuschaut und sich auf Nachfrage als Frauenfußball-Muffel outet.

Zur WM hat die Stadt ein umfangreiches Kulturprogramm aufgelegt. Im Alvar-Aalto-Kulturhaus beispielsweise ist eine gut abgehangene Ausstellung internationaler Stadionbauten des Hamburger Architekturbüros von Gerkan, Marg und Partner zu sehen. „Beton und Spiele“ betitelte die Welt vergangenes Jahr ihre Rezension, da wurde die Schau im Architekturmuseum München zur Männer-WM in Südafrika schon mal gezeigt. Die Begleitpublikation reüssierte 2010 gar zum edlen Herrengeschenk für alle möglichen Gelegenheiten. Orientierungslosigkeit scheint diesen Programmpunkt generiert zu haben.

Unter dem Titel „Host City“ zeigt der Kunstverein Künstlerinnen aus den sechs in Wolfsburg antretenden Nationen. Sport und Kunst, so Kunstvereinsleiter Justin Hoffmann, hätten ohnehin eine gemeinsame Wurzel: das Spiel. Er fand es zudem amüsant, einmal das Kuratieren aus der Hand zu geben, durch das Fifa-Losprinzip seine Auswahl bestimmen zu lassen. Zu sehen sind nun Videos, Skulpturen und Kostüme.

Und der Frauenfußball? Scheint weiterhin ein Image-Problem zu haben. Die Zeit bemühte sich in der Vorwoche, seine öffentliche Wahrnehmung auszuloten – irgendwo zwischen lesbischem Kampf- und flatterigem Girliesport. Das Fotoshooting mit fünf Nachwuchs-Nationalspielerinnen für den Playboy deutete das Wochenblatt zudem als modern-patriarchalen Sieg einer softpornografischen Ästhetisierung unserer Alltagskultur: Die erotische Idylle fescher, durchtrainierter und erfolgsbereiter junger Frauen sei nichts als die Fortsetzung alter Opferriten und unterwürfiger Weiblichkeit, aufgehübscht mit ein bisschen Selbstbewusstsein und guter Laune. BETTINA MARIA BROSOWSKY