Die politisch-korrekte Werbeshow

In der Kölner Öko-Design-Akademie lernen Studierende ethisch-wertvolle Werbung. Sie entwerfen zum Beispiel T-Shirts gegen Genmais oder Plakate für einen Konsum-Boykott. Mittlerweile wollen auch große Firmen ihr Öko-Image aufpolieren

von LUTZ DEBUS

Von weitem sieht der Maiskolben appetitlich aus. Nähert man sich aber dem T-Shirt, auf das die Feldfrucht gedruckt ist, kippt das Bild. Dutzende goldgelber Totenköpfe künden von den Gefahren der Gentechnik. Karin-Simone Fuhs präsentiert stolz die Arbeit einer ihrer Schülerinnen. Die Leiterin von „ecosign“, der bislang einzigen Akademie für ökologisches Design, ist von den Ergebnissen der KursteilnehmerInnen begeistert. Zum „Buy-nothing- day“, in Deutschland auch bekannt als „Kaufnix-Tag“, der an jedem 25. November von Umweltinitiativen begangen wird, hat eine Gruppe von Lernenden provokative Gestaltungen beigesteuert. Geschrieben mit der blauen Schrift, mit dem ein Lebensmitteldiscounter seine Produkte mit „Ja!“ anpreist, kann man nun auf einem Aufkleber das Wort „Nein!“ lesen. Und aus „real“ wird das Wort „egal“ mit dem Untertitel: „Besorg‘s dir doch einfach mal nicht.“ Reklame, die zum Konsumverzicht bewegen will, ist eher selten. In der Öko-Design-Akademie in der Kölner Innenstadt erscheinen solche Inhalte nicht ganz so spektakulär. Die mittlerweile 220 Studierenden entwerfen mit Hilfe ihrer fast 40 Dozenten ständig Propaganda für eine bessere Welt.

Als Karin-Simone Fuhs vor 13 Jahren ihre Akademie gründete, war an so eine Resonanz nicht zu denken. Mitte der 1990-er Jahre galten die Begriffe Ökologie und Design noch als unvereinbar. Eine elegante Birkenstock-Sandale oder eine lecker ausschauende Bio-Karotte, das war zu jener Zeit unvorstellbar oder wurde als Pointe im politischen Kabarett benutzt. So war es für die damals 26-jährige Absolventin einer Design-Fachhochschule schwer, Unterstützer für ihr Projekt zu finden. Doch Karin-Simone Fuhs konnte eine Bank für ihre Idee gewinnen. Trotzdem waren die ersten Jahre schwer. „Damals musste alles hip sein und Öko war durchaus nicht hip“, resümiert die Diplom-Designerin. Inzwischen aber kann sich die Akademie vor Anfragen nicht mehr retten. Seit der Klimawandel selbst die Bild erreicht hat, will jede Firma als umweltpolitischer Engel dastehen. „Manche Anfragen der Wirtschaft lehnen wir ab.“ Wenn Zusammenarbeit bedeute, dass die Akademie ohne Honorar Werbekampagnen für große Unternehmen kreieren soll, sei dies inakzeptabel. Mit Non-Profit-Unternehmen arbeite man aber gern zusammen.

Für Greenpeace wurde das Mais-Totenkopf-T-Shirt entworfen. Und für die „Klimaallianz“, einem Zusammenschluss von karitativen- und Umweltverbänden, bereite man Materialien für eine zentrale Demonstration im Dezember in Berlin vor.

Eine der Kreativen dieser Kampagne ist Maria Hengstermann. Die 21-Jährige aus dem niederrheinischen Geldern machte nach dem Abitur ein Praktikum bei einem Mediengestalter. Die Arbeit machte ihr sehr viel Spaß. Nur wollte sie nicht für sinnlose Produkte die Werbefeldzüge entwerfen. „So habe ich nach einer Schule gesucht, an der man ökologisch arbeiten kann.“ Monatlich müsse sie zwar 360 Euro an „Lehrgeld“ aufbringen. Andere private Designerschulen seien aber weitaus teurer. Noch befindet sich ihre Gruppe, die die Klimademo in Berlin vorbereite, in der Planungsphase. Konkrete Ideen möchte Maria Hengstermann deshalb noch nicht kundtun.

Wenn man einen Blick in die Mappen der KursteilnehmerInnen wirft, erscheint „Ecosign“ als Talentschmiede für politische Kunst. Nicht nur das Thema Ökologie wird bearbeitet. Auf einem Plakat ist das Verkehrsschild für „Fußgängerweg“ abgebildet. Doch statt des amtlich vorgeschriebenen Kindes hält die weiße Silhouettendame auf blauem Grund eine Aktentasche in der Hand. Eva Hermann hätte ihre Freude an dieser Gestaltung. Eine andere Grafik arbeitet nur mit verschiedenen Schrifttypen. Das Wort „Dialog“ erscheint in thailändisch, arabisch, chinesisch, japanisch und hebräisch anmutenden Buchstaben. Mit etwas Geduld und Fantasie allerdings erkennt man überall die lateinischen Letter.

Mit internationalen Projekten hat man in Köln Erfahrung. Vor zwei Jahren gestalteten jeweils 20 Studierende von „Ecosign“ und von der Kunstuniversität Nagoya/Japan Plakate, in denen das jeweils andere Land vorgestellt werden sollte. Die jungen Leute aus Deutschland sahen Japan als einen elektronischen Bauplan, der zu einem kunstvollen Origami-Vogel gefaltet ist. Die japanischen Studierenden wiederum stellten Deutschland zünftig dar: Dirndl-tragende Mädchen, Biertrinker, blonde Frauen mit Federboa. Karikatur wird hier zur letztlich völkerverbindenden Kunstaktion.

Ähnlich provozierte eine andere „Ecosign“-Absolventin. Mareike Hölter verkleidete sich 17 Mal und ließ sich fotografieren. Mit den Kostümen persiflierte sie Vorurteile, die über 17 europäische Nationen verbreitet sind. Die Französin mit Zigarette und Baskenmütze schaut mondän-träumend drein. Die Dänin friert in ihrem Ostfriesennerz vor einem Rettungsring. Und die Polin lockt blondiert mit Minirock und Netzstrumpfhose. Mit der Fotoserie schaffte es die Künstlerin sogar in die Ausgabe zum EU-Geburtstag der taz.

Den Lehrenden der Akademie geht es aber nicht nur um politische Agitation und Provokation. Dozentin Stefanie Uzler unterrichtet in dem Fach „Ökologie“. Es sei wichtig, so die studierte Geographin, dass die Designer auch über Hintergrundwissen verfügen. „Ohne Inhalte wird eine Gestaltung oberflächlich.“ Viele Fragen in der Umweltpolitik könne man nicht pauschal mit Ja oder Nein beantworten. Besonders bei dem Thema Gentechnik würden sich die Aussagen der Kontrahenten oft widersprechen. „Wem soll man Glauben?“, fragt Ulzer. Nur der, der sich in die Materie eingearbeitet hat, könne seriös eine Meinung vertreten. Ein weiteres wichtiges Thema ihrer Seminare ist der ökologisch vertretbare Einsatz von Materialien. „Viele Produkte aus Rattan können auch aus Weide hergestellt werden.“ Designer sollten keine Rohstoffe einplanen, die man um die halbe Welt transportieren müsse.

Ideen aus Köln aber, so ist zu hoffen, werden solch weite Wege bald noch zurücklegen. Der Designer David Olschewski schuf nach der Flutkatastrophe von New Orleans eine ausgefallene Haushaltsware. Seine Kaffeekanne ist unsinkbar weil aufblasbar. Vielleicht kann unsere Kanzlerin dem George Bush in Heiligendamm daraus seinen Kaffee servieren.