Verleger aus Langeweile

Verlage im Norden (VI): Stefan Ehlert gibt lieber Bücher aus der Punkrock-Ecke heraus, als Fußball zu spielen. Sein extravagantes Hobby finanziert der Chef, Übersetzer, Lektor und einzige Angestellte des Bremer „mox & maritz Verlag“ mit harter Lohnarbeit

„Ich hatte Langeweile. Das hört sich zwar blöd an, aber so war es“, gibt der Wahlbremer Stefan Ehlert ganz lapidar als Grund dafür an, dass er einen Verlag gegründet hat. Der mittlerweise als mox & maritz Verlag firmierende Betrieb hieß anfangs mirandA-Verlag, doch leider gab es schon einen Verlag gleichen Namens.

Bei einer Lesung der New Yorker Autorin und Punk-Enfant-Terrible Lydia Lunch ist er einfach zu ihr hingegangen und hat sie gefragt, warum es das Buch nicht auf Deutsch gebe. „Wir haben uns ein bisschen unterhalten und sie hat mir die Adresse ihres Verlags in London gegeben.“ Da hat er dann hingeschrieben. „Im Prinzip war’s das. Die haben mir ein Angebot gemacht. Der Rest war Fleißarbeit.“ Und dann hatte er sein erstes Buch. Das war vor sieben Jahren.

Seitdem hat Ehlert zwölf Bücher herausgebracht – im Alleingang. Als Verleger und Gelegenheits-Übersetzer ist er Autodidakt, mox & maritz ist ein Ein-Mann-Unternehmen. Deswegen gibt es auch nicht mehr als zwei Bücher im Jahr. Zumal Ehlert sein Geld auch nicht mit seinem Verlag, sondern mit Lohnarbeit verdient – zurzeit in einem Lager. Deswegen gibt es auch kein eigenes Büro. Die Bücher werden gewissermaßen im Wohnzimmer gemacht, in der Freizeit. Gerade hat er seine Arbeitszeit auf 32 Stunden reduziert. „Der Freitag gehört dem Verlag“, sagt Ehlert. Rund fünf Stunden in der Woche arbeitet er an seinen Büchern, wenn er eine Übersetzung macht, sind es 15 oder 20. „Das macht ja auch eine Menge Spaß“, sagt er. „Andere Leute gehen eben Fußball spielen.“

Nach zwei Bänden von Lydia Lunch veröffentlichte Ehlert vier Bücher von Henry Rollins, einst Sänger der frühen Hardcore-Band „Black Flag“ und heute als Verbal-Perfomer unterwegs. In den ersten Jahren trat der Verleger an die Autoren heran, um ihre Bücher zu veröffentlichen: Von Rollins über Michael Gira von der Noise-Band „Swans“ bis zu Peter Sotos, Musiker bei der umstrittenen Industrial-Kapelle „Whitehouse“. Einzig Miron Zownir, Fotograf und Filmemacher, trat mit seinem Buchprojekt „Kein schlichter Abgang“ an den Hobby-Verleger heran – auch noch in anderer Hinsicht eine Premiere: Es ist bis heute das einzige Taschenbuch im mox & maritz Verlag. „Das musste einfach als Paperback erscheinen“, findet Ehlert. Die Geschichte um einen abgewrackten Detektiv ist in der Tat allerbeste Pulp Fiction – atemlos, dreckig und schnell erzählt. Ansonsten gibt es im Hause nur Hardcover. „Das ist nun mal die stabilere Version. Ich will Bücher machen, die auch in 100 Jahren noch herumstehen“, sagt Ehlert selbstbewusst.

Mit „Götterspeed“ von Lynn Breedlove, der neuesten Veröffentlichung von mox & maritz, könnte das klappen. Breedloves Debüt zieht den Leser vom ersten Augenblick an in seinen Sog: Jim ist Fahrradkurier in San Francisco. Aber es gibt so viel anderes zu tun, dass er ständig auf der Suche nach einem neuen Job ist, weil er immer wieder herausgeschmissen wird. Jim heißt bürgerlich Elisabeth, steht auf alles, was intensiv ist – Punkrock, Rad fahren, Speed – und liebt ein Mädchen, das seinen Lebensstil nicht versteht. Lynn Breedlove kommt wie viele von Ehlerts Autoren aus der Punkszene. In den 80ern machte sie mit der Band „Tribe 8“ Furore.

Der persönliche Geschmack ist die letzte Instanz für Stefan Ehlert. „Ich geb mein Geld für Sachen aus, die ich gut finde“, sagt er. Wobei die Kosten für die Rechte natürlich Ausschlusskriterium sind. Er hätte zum Beispiel gern ‚I Need More‘ von Iggy Pop auf Deutsch herausgebracht. Das wäre aber aus rechtlichen Gründen nur gegangen, wenn er ein paar Zeichnungen weggelassen hätte. „Da hatte ich dann keinen Bock mehr drauf.“ ANDREAS SCHNELL