Fehlerfließband am Millerntor

ZWEITE LIGA Nach einer 0:4-Heimniederlage gegen Karlsruhe findet sich der FC St. Pauli zurück im Abstiegskampf

Die Erklärungsversuche nach dem 0:4 hörten sich beim FC St. Pauli so an: „Wir hatten heute in der Offensive zu wenig Durchschlagskraft“, sagte Mittelfeldspieler Enis Alushi. „Wir haben nach dem Rückstand nicht mehr als Mannschaft agiert“, befand Trainer Thomas Meggle. „Nach dem Gegentor wollten uns selbst die Basics nicht mehr gelingen“, so Mittelfeldspieler Florian Kringe.

Alushi, Kringe und Meggle hätten noch stundenlang Fehler aufzählen können: Die Hamburger Fußballprofis agierten am Samstag vor 28.000 Zuschauern gegen den Karlsruher FC so, als spielten sie das erste Mal zusammen und hätten den Taktiklehrgang geschlossen geschwänzt.

Bei der deutlichen Niederlage wiederholte sich ein Muster aus vergangen geglaubten Zeiten, als noch Roland Vrabec das Team trainierte. Bis zum 0:1-Rückstand nach 18 Minuten agierte die Mannschaft geschlossen, selbstbewusst, überlegen und erspielte sich klare Möglichkeiten. Nach dem ersten Treffer fiel die Mannschaft aber komplett auseinander, spielte wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen und produzierte individuelle Fehler wie am Fließband.

Vor dem 0:2 (32. Minute) übersah Christopher Nöthe den mitgelaufenen Lennart Thy, spielte einen katastrophalen Fehlpass, bevor Sören Gonther am Ball vorbeisprang und so den Weg zum Gegentor frei machte. Vor dem 0:3 (80.) verschätzte Thy sich und grätschte am Ball vorbei. Vor dem 0:4 (89.) ließ Lasse Sobiech den Ball direkt vor die Füße des einschussbereiten Karlsruher Hiroki Yamada prallen, der keine Probleme mehr hatte, den Ball an Torhüter Philipp Tschauner vorbei ins Netz zu schieben.

Die Karlsruher, die zuvor vier Spieltage sieglos geblieben waren, nutzen die allgemeine Verunsicherung der Hamburger konsequent aus, konterten hervorragend und verwandelten jede sich bietende Chance in ein Tor. Die Hamburger kamen nur Mitte der zweiten Halbzeit noch einmal vors Tor der Karlsruher, als John Verhoek mit einem sehenswerten Fallrückzieher einen Treffer erzielte, der wegen seiner Abseitsstellung aber nicht zählte.

„Wir sind noch nicht so weit wie ich dachte“, bemühte sich Thomas Meggle um eine positive Umschreibung des Umstands, dass in seiner Mannschaft keine Entwicklung erkennbar ist und dass sie statt um den Aufstieg in die erste Bundesliga gegen den Abstieg spielt. Als Tabellensechzehnter steht die Mannschaft derzeit auf dem Relegationsplatz, der nach Saisonabschluss zu zwei K.-o.-Spielen gegen den Drittplazierten der dritten Liga führen würde. Sah der Trainer die Mannschaft zuletzt ganz unabhängig vom Resultat stets „auf dem richtigen Weg“, wechselte er nun zu Durchhalteparolen. „Im Fußball gibt es immer wieder Rückschläge. Aus dieser Situation müssen wir jetzt gestärkt hervorgehen“, sagte Meggle.

Gelegenheit bietet sich dazu bereits am kommenden Dienstag. Dann trifft der FC St. Pauli im DFB-Pokal auf Borussia Dortmund. Alles andere als eine klare Niederlage wäre allerdings eine faustdicke Überraschung, auch wenn die Dortmunder gerade selbst krisengeschüttelt sind. An diese Überraschung aber glaubt nach der 0:4-Klatsche von den zweitklassigen Karlsruhern am Millerntor wirklich niemand mehr.  MARCO CARINI