„Kein barockes Freiluftmuseum“

POTSDAM Der geplante Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche entzweit die Stadt. Eine Bürgerinitiative sammelte 14.500 Stimmen gegen den Bau. Auch die Linke ist dagegen. Deren Kreisvorsitzender Sascha Krämer erklärt, warum

37, studierte Politikwissenschaft und arbeitet für die Bundestagsabgeordnete Diana Golze. Seit 2010 ist er Kreisvorsitzender der Linkspartei in Potsdam.

INTERVIEW MARCO ZSCHIECK

taz: Herr Krämer, mal angenommen, die Potsdamer Garnisonkirche wird tatsächlich wieder aufgebaut. Was würde das über Potsdam hinaus bedeuten?

Sascha Krämer: Mit dem derzeitigen Konzept wäre das äußerst bedauerlich. Es wäre auch international ein schlechtes Zeichen, wenn eine Kirche mit dieser Vorgeschichte aufgebaut wird, bevor es in Potsdam wieder eine Synagoge gibt.

Das Thema bewegt die Stadt. Eine Bürgerinitiative hat mehr als 14.500 Unterschriften dafür gesammelt, dass die Stadt die Stiftung Garnisonkirche Potsdam, die sich für den Wiederaufbau einsetzt, auflöst. Wäre das der richtige Weg?

Wir haben diese Forderung vom ersten Tag an inhaltlich unterstützt. In der Abstimmung der Stadtverordnetenversammlung zur Stiftungsauflösung haben wir auch entsprechend votiert. SPD, CDU und Grüne haben erst dagegen argumentiert und sich dann überraschend enthalten. Das ist kein glaubwürdiges Verhalten.

Das Abstimmungsverhalten hat letztlich bewirkt, dass es nicht zu einem Bürgerentscheid gekommen ist. Haben Sie einen Fehler gemacht?

Es wäre sicherlich besser gewesen, alle Potsdamer in einem Bürgerentscheid zu befragen. Momentan behaupten ja beide Seiten, dass sie die Mehrheit hinter sich hätten. Hätten 80 Prozent für die Kirche gestimmt, hätten auch wir unsere Position überdenken müssen. Aber wir haben uns in der Abstimmung ehrlich verhalten. Durch die Annahme des Bürgerbegehrens zur Stiftungsauflösung hat es das Signal gegeben, dass die Stadtverordnetenversammlung aus dem Wiederaufbau aussteigen will. Der Beschluss steht. Oberbürgermeister Jann Jakobs muss ihn umsetzen, auch wenn er persönlich ein Befürworter des Wiederaufbaus ist.

Im September hat er im Stiftungskuratorium den Antrag dazu gestellt. Der ist erwartungsgemäß abgelehnt worden. Ist die Sache nun erledigt?

Die Art und Weise, wie er agierte und argumentierte, war schon sehr lustlos. Aber erledigt ist nichts. Man könnte auch mal hinterfragen, ob eine Baugenehmigung nicht ausläuft, wenn auf der Baustelle nichts passiert. Die Diskussion ist nicht vorbei und auch Mehrheiten in der Stadtpolitik ändern sich mal. Wir können weiter Sand ins Getriebe werfen, solange es auf der anderen Seite keine Bereitschaft zum Dialog gibt. Wir wären dazu bereit, über alternative Ideen zu sprechen – beispielsweise ein modernes Gebäude für ein Versöhnungszentrum, das sich kritisch mit der Geschichte auseinandersetzt.

Warum lehnt Ihre Partei den Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg beschädigten und 1968 endgültig gesprengten Kirche ab?

Zunächst ist diese Kirche ein Symbol. Sie ist untrennbar mit dem Tag von Potsdam am 21. März 1933 und dem Handschlag von Hitler und Hindenburg verbunden. Darüber hinaus war sie auch schon vorher eine Militärkirche. 1848 wurde dort gegen die bürgerliche Revolution gepredigt.

Gehört diese Geschichte nicht auch zu Potsdam?

■ Der Streit über den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche dauert bereits 24 Jahre. 1990 verurteilen die Stadtverordneten die Sprengung der Kriegsruine (1968) auf Geheiß der SED-Führung als „Akt kultureller Barbarei“ und sprachen sich für den Wiederaufbau aus. Friedrich Wilhelm I. ließ die Kirche 1730 bis 1735 erbauen. Sie diente den Soldaten für Gottesdienste, dem König als Grabstätte. Hier inszenierten die Nationalsozialisten am 21. März 1933 den „Tag von Potsdam“. Bei einem Bombenangriff brannte die Kirche im April 1945 aus.

■ Eine 2009 gegründete Stiftung, in die die Stadt das Grundstück einbrachte, plant den Wiederaufbau des Turms bis 2017. Zwar gibt es seit 2013 eine Baugenehmigung, doch steht bislang nicht einmal die Hälfte der benötigten 40 Millionen Euro bereit – und dabei sind schon 12 Millionen aus Mitteln des Kulturstaatsministers mitgerechnet, die nur fließen, wenn auch der Rest der Finanzierung steht. Spenden sammelt eine Fördergesellschaft unter Vorsitz des Exbundeswehroffiziers Burkhart Franck.

■ Gegner des Wiederaufbaus haben die Bürgerinitiative „Potsdam ohne Garnisonkirche“ gegründet, die im Frühjahr innerhalb von dreieinhalb Monaten mehr als 14.500 Unterschriften für ein Bürgerbegehren sammelte. Die Initiative wird von Exjustizministerin Herta Däubler-Gmelin und den früheren DDR-Bürgerrechtlern unterstützt. M. ZSCHIECK

Die Diskussion würde sicher bei den Menschen anders aussehen, wenn die Kirche noch ganz oder zum Teil stehen würde. Aber wir reden über einen Wiederaufbau. Ich zweifle daran, dass es gut für die Stadt ist, so ein Gebäude in ihrer Mitte wieder zu errichten.

Die SED hat diesen Teil der Geschichte 1968 sprengen lassen. War das richtig?

Die Sprengung war mit Sicherheit ein Fehler. Der DDR wird vorgeworfen, dass sie mit den Abrissen historischer Bauten bei den Menschen Geschichte negiert hat. Da ist was dran. Aber heute alles Alte wieder aufzubauen und DDR-Gebäude abzureißen wäre auch nichts anders. Die Stadt hat sich ja auch in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt. Ich halte es für falsch, sie in ein barockes Freiluftmuseum umzubauen. Potsdam sollte in erster Linie für seine Bewohner da sein und erst danach für die Touristen.

Was stört Sie noch an dem Wiederaufbauprojekt?

Anfangs fanden wir das von der Stiftung für den Wiederaufbau angestoßene Versöhnungskonzept recht interessant. Allerdings finden wir es nicht schlüssig, warum man für Versöhnungsarbeit diese Kirche aufbauen muss. Man kann auch weiterdenken. Außerdem lehnen wir es ab, dass öffentliches Geld für diese private Initiative ausgegeben wird, während offenbar kaum private Spenden zusammenkommen, was auch für die geringe Akzeptanz des Wiederaufbaus spricht.