Ein bisschen wie der junge Schaaf

TRAINERWECHSEL Bei Werder Bremen ist Robin Dutts Amtszeit zu Ende gegangen, ehe man überhaupt von einer Ära sprechen konnte. Mit Coach Viktor Skripnik setzt der Klub auf eine Tradition, die ihm schon mal gutgetan hat

Werder vollzog auch einen Kurswechsel in der Finanzpolitik: Der Vorstand darf verstärkt ins Risiko gehen

AUS BREMEN RALF LORENZEN

Eines muss man den Bremern lassen: In ihren Entscheidungsprozessen ist Zug drin. Knapp drei Wochen, nachdem ein öffentliches Bashing gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden Willi Lemke eingesetzt hatte, wird mit Marco Bode bereits ein Nachfolger inthronisiert. 17 Stunden, nachdem Trainer Robin Dutt als Trainer nicht mehr haltbar ist, steht mit Viktor Skripnik bereits der Nachfolger fest. Beide Entscheidungen verkündete der Klub am Samstagnachmittag innerhalb von drei Stunden.

Der Ukrainer Skripnik war acht Jahre lang Spieler bei Werder, trainierte die Jugend- und die Regionalligamannschaft. Das, aber nicht nur, lässt Skripnik an den früheren Trainer Thomas Schaaf erinnern. Und als Co-Trainer rückt mit Exnationalspieler Torsten Frings ein weiterer alter Werderaner auf die Trainerbank.

Mit dieser Personalentscheidung hat Werders Sportchef Thomas Eichin das Geld für die Investition in neue Spieler bereitgestellt – statt in einen teuren, als rettender Feuerwehrmann geholten Trainer à la Huub Stevens, dessen Name gehandelt wurde.

Mit Marco Bodes Antritt im Aufsichtsrat wurde bei Werder auch ein Kurswechsel in der Finanzpolitik verkündet. Der Vorstand darf künftig verstärkt ins Risiko gehen und trotz Millionendefizit im vergangenen Jahr weiteres Geld in den Kader stecken. Zusätzlicher Spielraum besteht durch die vorzeitige Vertragsverlängerung mit dem Vermarkter Infront, die mit einer Einmalzahlung von 9 Millionen Euro versüßt wurde.

Seit langem wird der costa-ricanische Nationalspieler Bryan Ruiz, der zurzeit beim FC Fulham unter Vertrag steht, als Wunschkandidat genannt. Bis der Transfermarkt in der Winterpause öffnet, muss nun erst mal Viktor Skripnik mit Bordmitteln versuchen, die Panikstimmung an der Weser zu vertreiben.

Ganz unbegründet ist die Panik nicht. Es ist die nackte Angst, dass der Absturz aus den Höhen der europäischen Spitze nicht in im soliden Bundesligamittelmaß endet, von wo ein Neuaufbau realistisch wäre, sondern in der Zweiten Liga, in der schon mancher Traditionsklub mit ruhmreicher Vergangenheit versackt ist. Mit den in den letzten drei Bundesligaspielen gezeigten Vorstellungen wird Werder keinen einzigen Bundesligaverein hinter sich lassen – das wurde nach dem blutleeren 0:1 gegen den 1. FC Köln selbst dem größten Optimisten klar. Zumal die Leistungskurve nach solidem Saisonstart kontinuierlich nach unten zeigte und keinerlei Entwicklung zu sehen war. Überhaupt Entwicklung: Die hatte Robin Dutt von vornherein zum Schlüsselwort seiner Mission erklärt. Mit glänzender Rhetorik, die die an Thomas-Schaaf-Floskeln gewohnten Journalisten anfangs begeisterte, hatte er die Bremer auf einen Weg eingeschworen, auf dem es Rückschläge geben würde, auf dem aber mittelfristig jeder Spieler und die Mannschaft besser würden. Nun stehen 43 Punkte aus 43 Ligaspielen zu Buche – eine ähnlich schlechte Bilanz hat bei Werder Bremen nur noch Ad de Moos, der 1995 Otto Rehhagel nach 15-jähriger Amtszeit ablöste. Doch anders als der Niederländer trat Dutt mit seriösem Konzept und Leidenschaft in die großen Fußstapfen seines Vorgängers. Es bleibt seine größte Leistung in Bremen, die Aufbruchstimmung nach dem Schaaf-Abgang eine Saison lang aufrechterhalten zu haben.

An seinen Zielen aber hat er sich gründlich verhoben. Die Protagonisten des Abstiegskampfes der letzten Saison wie Caldirola, Garcia, Prödl, Kroos oder Junozovic entwickelten sich zurück, stagnierten oder wurden, wie Obraniak, ganz ausgebootet. Der hochgelobte Izet Hajrovic enttäuschte bislang komplett. Das Abwehr blieb nachlässig, der Angriff gefällig, ein System nicht erkennbar.

Bis zuletzt hielt Dutt an der These einer reinen Ergebniskrise fest und wähnte sich auf dem richtigen Weg. Der war spätestens zu Ende, als der Rhetoriker nach dem Spiel gegen Köln zur hilflosesten aller Trainerphrasen griff und sagte: „Wir haben es nicht geschafft, den Bock noch einmal umzustoßen.“

Nach der Rehhagel-Ära verschliss Werder vier Trainer, bis man auf den Nachwuchscoach Thomas Schaaf zurückgriff. Daran mögen sich die Verantwortlichen erinnert haben, als sie Viktor Skripnik verpflichteten.