Maroons kämpfen für ihr Land

Die Nachkommen ehemaliger Sklaven auf Jamaika wehren sich gegen Bauxitabbau

SANTO DOMINGO taz ■ Die Nachkommen ehemaliger Sklaven in Jamaika haben der Regierung mit Widerstand gedroht, wenn diese auf ihrem autonomen Gebiet den Abbau von Bauxit genehmigt. Das im mittleren Westen gelegene Terrain der so genannten Accompong Maroons verfügt über ein reichhaltiges Vorkommen des knollenartigen Gesteins, aus dem das Leichtmetall Aluminium gewonnen wird.

Jamaika ist weltweit der fünfgrößte Bauxitexporteur. Bauxit und Aluminium sind nach den Überweisungen der rund zwei Millionen im Ausland lebenden Jamaikanern und den Einnahmen aus dem Tourismus die drittwichtigste Devisenquelle des Landes. Im vergangenen Jahr wurden mehr als 13 Millionen Tonnen abgebaut.

Wenn es nach dem Willen von Landwirtschaftsminister Roger Clarke gegangen wäre, dann würden bereits jetzt Riesenbagger die landschaftlich reizvolle Karstlandschaft in eine riesige Abbaugrube verwandelt haben. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit erteilte Clarke der Alcoa Inc. und der staatlichen Clarendon Alumina Production im vergangenen Jahr eine Abbau- und Weiterverarbeitungslizenz. Dazu wurden mehr als 10.000 Hektar des Accompong-Maroons-Territoriums ohne Rücksprache mit den Betroffenen zum Bergbaugebiet erklärt, obwohl das Gebiet Autonomiestatus besitzt und die jamaikanische Regierung ohne Erlaubnis der Maroons nicht über ihr Wohngebiet verfügen darf.

Seit dem 6. Januar 1738 besitzen die Maroons des Cockpit Country weitgehende Autonomie innerhalb Jamaikas. In einem jahrzehntelangen Guerillakrieg trotzten sie den britischen Kolonialherren damals ihre Selbstverwaltung ab. Auch nach der Unabhängigkeit der viertgrößten Karibikinsel traute sich keine jamaikanische Regierung, die Autonomierechte der von afrikanischen Sklaven abstammenden Maroons anzutasten. Auf der diesjährigen „Quanza“ genannten Generalversammlung der Maroons in ihrer Regionalhauptstadt Accompong Town lehnten sie kategorisch „Umweltzerstörung“ in ihrem Wohngebiet ab. „Cockpit Country ist unser Land. Wir sind bereit, dafür zu kämpfen“, drohte der Stammesälteste Melville Currie vor Vertretern der in der Region lebenden rund 5.000 Maroons.

Zwar zog die PNP-Regierung die erteilte Schürflizenz zurück, das Genehmigungsverfahren ist jedoch noch nicht vom Tisch.

Derzeit laufen neue wissenschaftliche Untersuchungen zur „Umweltverträglichkeit“ des Bauxitabbaus. Empört sind die Maroons vor allem darüber, das der riesige Tagebau just in dem Moment geplant wird, in dem sie diskutieren, die von der Regierung jahrzehntelang vernachlässigte ärmliche Region umweltverträglich für Ökotourismus zu nutzen. Kleine Hotels sollen Individualreisenden die Reggaeinsel einmal anders zeigen, der Anbau von Ökogemüse und Heilpflanzen sollen Einkommen schaffen. Die Maroons hoffen außerdem auf das Interesse von Pharmaunternehmen, die sich auf die Verarbeitung von Heilkräutern spezialisiert haben.

HANS-ULRICH DILLMANN