Modernes Symbol

NEUSEELAND Nische mit weiblichem Gesicht

VON CHRISTOPH MÜCHER

Auch in Neuseeland erweist sich der Fußball als verlässliche Integrationshilfe in die neue Heimat: „Du kannst gerne bei uns mitspielen“, lud mich eine freundliche Kollegin ein. Juliet ist mitnichten ein Sonderfall; in der Mittagspause strömen junge Geschäftsfrauen, Dozentinnen und Studentinnen aus den Büros, Laboren und Hörsälen der Innenstadt in die nahegelegene Sporthalle, um dort mit ihren männlichen Kollegen die Kräfte zu messen. Fußball hat im Land der Rugby-Großmacht Neuseeland ein weibliches Gesicht.

Die gemeinsame Freizeitbeschäftigung mitten in der City suggeriert ein Eldorado der Gleichberechtigung – zumal immer wieder Frauen in Chefetagen auf sich aufmerksam machen. Allen voran Helen Clark, die schier unverwüstliche ehemalige Premierministerin, die nun das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen leitet. Doch „der Schein trügt“, meint Helene Wong, Filmemacherin und Journalistin; ungleiche Bezahlung und Aufstiegschancen seien auch in Neuseeland nicht unbekannt. Hinter der Fassade einer offenen und egalitären Gesellschaft findet sich mitunter eine Gesellschaft von Männerbünden und echten Kerlen („blokes“), trinkfest, mit derbem Humor und ihren Wurzeln fest in der Pioniergesellschaft, die das Land vor 200 Jahren mit viel Kraft und Abenteuergeist umzupflügen begann. Nicht zufällig ist der Nationalsport Rugby, untrennbar verbunden mit dem Haka, dem furchteinflößenden Kriegstanz der Maori, der auf dem Sportplatz heute noch den Gegnern imponiert.

Fußball dagegen ist immer noch ein Nischensport, für Künstler, Querdenker, Weltreisende – und eben Frauen. Wynton Rufer, Fußballikone und erfolgreicher Bundesliga-Profi, hat eine Nachwuchsschule aufgebaut, mit der Vision, den Fußball in seiner Heimat auf solide Beine zu stellen. Zurückgekehrt aus Deutschland, wo er bei Werder Bremen zum Torschützenkönig der Bundesliga avancierte, investierte er seine Erfahrung in die Jugendarbeit. Der Durchbruch gelang ihm nicht. „Neuseeländer sind zu pragmatisch“, erklärt er mit leichter Resignation.

Mit seinem hohen Qualitätsanspruch und seiner leicht asketischen Art könnte Wynton Rufer in seiner Heimat selber als Deutscher durchgehen, prägen die traditionellen Tugenden auch am anderen Ende der Welt das Bild von den Deutschen. Von einem ganz anderen Deutschland dagegen, dem der kreativen und eher leicht chaotischen Kulturmetropole Berlin, künden die zahlreichen neuseeländischen Künstler, Musiker und Schriftsteller, die jedes Jahr ihren Weg in die deutsche Hauptstadt finden und nicht selten jahrelang dort bleiben. Wie auch die deutschen Touristen, die mit den Einheimischen die Liebe zur Natur teilen – und gelegentlich auch die zum Fußball. Dieser erfreut sich gerade eines Stimmungshochs: Immerhin machte das neuseeländische Team bei der Fußball-WM 2010 in Südafrika seinem Namen alle Ehre: die All Whites verließen Südafrika immerhin als einziges ungeschlagenes Team. Ein Erfolg bei der Frauen-WM in Deutschland wäre eine weitere wichtige Etappe.

Christoph Mücher, geboren 1964, studierte Geschichte, Germanistik, Romanistik und Deutsch als Fremdsprache. Bis 2010 Leiter des Goethe-Instituts Wellington, Neuseeland, derzeit Pressesprecher des Goethe-Instituts München