Unpopuläre Meister

FRANKREICH Lange Tradition mit viel Erfolg

VON JOACHIM UMLAUF

Riesengroß war die Freude, als die französische Frauenfußballmannschaft im September 2010 in einem dramatischen Spiel – allein zwei Tore fielen in der Nachspielzeit – Italien letztlich mit 3:2 besiegte und damit die Eintrittskarte zur WM in Deutschland erhielt. Es war ein lang erhoffter Sieg, denn obwohl die Mannschaft bereits seit Jahren zwischen dem 8. Platz und dem 10. Platz der Weltrangliste rangiert, war es ihr 2007 nicht gelungen, sich überhaupt nur für die WM zu qualifizieren.

In gewisser Weise kann der zäh erkämpfte Erfolg als symptomatisch für die Situation des Frauenfußballs in Frankreich bezeichnet werden, dem es, anders als in nördlicheren Gefilden, deutlich an Zuspruch mangelt – zumindest von Seiten des Publikums. Die Zuschauerzahlen sind im Vergleich zu Deutschland immer noch sehr bescheiden – selbst wenn, wie im Fall von Olympique Lyon, eine Mannschaft über Jahre fast sämtliche Meistertitel einheimst.

Auch die Berichterstattung in den Print- und Bildmedien ist deutlich zurückhaltend. Der Kampf auf dem immer noch männlich dominierten Feld scheint dem Bild, das man sich in Frankreich von Frauen machen möchte, grundsätzlich zu widersprechen.

Dies erstaunt nicht allein aufgrund der im Vergleich zu Deutschland vorbildlichen und beherzten französischen Frauenpolitik – sowohl hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf als auch der Gleichstellungspolitik von Frauen in Führungspositionen –, sondern auch wegen der langen Tradition, auf die der französische Frauenfußball inzwischen zurückblicken kann.

Bereits 1919 bildeten sich hier nationale Meisterschaften, die sogar an internationalen Wettkämpfen teilnahmen. Doch die Anfeindungen, denen sich die fußballspielenden Frauen ausgesetzt sahen, waren zu stark: Die Initiative kam Anfang der 1930er Jahre fast vollständig zum Erliegen. Erst viele Jahrzehnte später, in den 1970er Jahren, gelang es, neue Clubs zu gründen.

Heute ist Fußball die wohl populärste Ballsportart für Frauen in Frankreich, wenngleich das Publikum weiterhin zögerlich reagiert. Die Tatsache, dass die Frauenfußball-WM in diesem Jahr in Deutschland stattfindet, könnte sich indes positiv auf die allgemeine Wahrnehmung auswirken, denn das Interesse der Franzosen am ehemaligen Erbfeind auf der anderen Seite des Rheins ist heute so groß wie nie zuvor.

Das liegt zum einen natürlich an Berlin, der zurzeit in den Augen der meisten Franzosen wohl attraktivsten Metropole Europas; zum anderen gilt Deutschland aber auch in kultureller, wissenschaftlicher und nicht zuletzt auch in wirtschaftlicher Hinsicht vielen als vorbildlich.

Sollte, wie zu hoffen steht, die Frauenfußball-WM in Deutschland auch ein Erfolg beim französischen Publikum werden, dann werden vielleicht auch die Männer ihren Teil dazu beigetragen haben: durch die begeistert aufgenommene WM 2006 in Deutschland nämlich. Die hat schließlich weltweit das Deutschlandbild positiv verändert, so auch in Frankreich.

■  Dr. Joachim Umlauf, lehrte an zahlreichen Universitäten und veröffentlicht zur Auswärtigen Kulturpolitik. Er war Leiter des Goethe-Instituts Amsterdam/Rotterdam, heute ist er Leiter des Goethe-Instituts Paris