Vergiss die Krauts

ENGLAND Die Ladys wollen die WM nach Hause holen

VON KARL PFEIFFER

Die Beziehungen zwischen England und Deutschland waren im vergangenen Jahrhundert nicht einfach – häufig dominiert von den beiden Weltkriegen und der Erinnerung daran. So traten noch in den 1990er Jahren englische Zeitungen häufig mit antideutschen Artikeln hervor. Hier war sicher die Sorge vor einem nach der Wiedervereinigung erstarkten Deutschland eine wichtige Ursache, die besonders bei Reportagen über Fußballländerspiele hervortrat. Bei solchen Gelegenheiten blies ein Teil der Presse immer noch zum Feldzug gegen „Fritz“ und die „Krauts“. Das ist vorbei.

Die WM 2006 in Deutschland führte zu einer grundsätzlichen Änderung. Die englische Berichterstattung war wider Erwarten sehr positiv, zum Teil regelrecht begeistert. In den englischen Medien fand das Sommermärchen vom freundlichen Deutschland statt. Dabei spielte der charismatische Jürgen Klinsmann, der in England seit seiner Zeit bei Tottenham Hotspur sehr beliebt und bekannt ist, eine wichtige Rolle. Es gibt ein wiedererwachtes positives Interesse an Deutschland und besonders an Berlin, das als ausgesprochen cool gilt.

Natürlich sind England und Fußball seit jeher zwei Seiten einer Medaille – schließlich waren es die Engländer, die das Spiel erfunden haben. England könnte mühelos jederzeit eine WM ausrichten, es gibt viele und schöne Stadien auf modernstem Stand, allen voran das legendäre Wembley-Stadion. Trotz hoher Preise sind die Stadien immer voll, fast täglich kann man ein gutes Spiel sehen, und es gibt keine Winterpause. Im Gegenteil, es ist sogar Tradition, am zweiten Weihnachtstag ins Stadion zu gehen.

Englands Fußball hat in den vergangenen zwanzig Jahren zwei wichtige Leistungen vollbracht: den Hooliganismus stark eingedämmt und durch die Integration von Spielern aus aller Welt den Rassismus bekämpft. Fußball ist in England dadurch noch populärer geworden. Englische Mädchen feuern die Spieler von Arsenal oder Manchester United genau so an wie die Jungs.

Der englische Frauenfußball hat von den international bekannten Teams profitiert. Das Nationalteam ist bei den WMs der letzten Jahre immer sehr weit gekommen, und wer sie 2011 in Deutschland unterschätzt, könnte dies bereuen.

Englands erfolgreichste Frauenmannschaft ist die von Arsenal. Allerdings liegen die Einkünfte der Frauenfußballprofis – wie in Deutschland – noch weit unter denen der Männer. Die Situation der Frauen in England spiegelt sich somit auch im Fußball: Nahezu genauso viele Frauen wie Männer sind berufstätig. Bei den Gehältern aber sind die Unterschiede immer noch sehr groß. Auch hier müssen die Frauen für ihren Erfolg oft mehr leisten als ihre männlichen Kollegen. Trotz aller derzeitigen Benachteiligungen sowohl für englische als auch für deutsche Fußballerinnen werden Frauen zukünftig zweifellos eine wichtige Rolle in der Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern spielen. Vielleicht wird das englische Frauenteam schaffen, was den Männern seit 1966 nicht mehr gelungen ist: die Weltmeisterschaft „nach Hause“ zu holen, in die Heimat des Fußballs.

■  Karl Pfeiffer, 1955 geboren, studierte Englisch und Deutsch für das Lehramt. Er ist Beauftragter für Bildungskooperation Deutsch am Goethe-Institut London