Pelé im Rock

BRASILIEN Die Präsidentin hilft dem Image

VON REINHARD SAUER

Seit Beginn dieses Jahres steht in Brasilien erstmals eine Frau an der Spitze des Landes: Dilma Rousseff, Tochter bulgarischer Einwanderer. Die 63-jährige Präsidentin trat die Nachfolge des populären Lula da Silva an, der nach zwei Amtszeiten nicht wiedergewählt werden durfte. Dilma soll das Land in ein „brasilianisches Jahrzehnt“ führen, in dessen Verlauf Brasilien unter die fünf größten Industriemächte der Welt vorgestoßen sein will und sich auch sportlich über den Fußball hinaus als Großmacht etabliert haben möchte.

Zunächst 2014, wenn Brasilien als Gastgeber der Fußball-WM den Titel endlich wieder nach Hause holen will. Und 2016 in Rio de Janeiro, wenn das Land Ausrichter der ersten Olympischen Spiele in Südamerika sein wird. Auch hier will Brasilien seine Fähigkeiten unter Beweis stellen, die größte Sportveranstaltung des Planeten reibungslos organisieren zu können.

Das Vorbild dafür ist Deutschland, das mit viel Leichtigkeit und Perfektion vorgemacht hat, wie eine WM zum Sommermärchen wird. Im Übrigen hat diese WM im Deutschlandbild der Brasilianer eine einschneidende Veränderung mit sich gebracht: Deutschland gilt seitdem als ein fröhliches Land mit einer unglaublich spannenden Hauptstadt.

Der Männerfußball bereitet den verwöhnten Brasilianern derzeit wenig Freude. Das frühe Ausscheiden bei den Weltmeisterschaften 2006 und 2010, die jüngsten Niederlagen in Freundschaftsspielen gegen Argentinien und Frankreich und eine unattraktive Spielweise untergraben den Ruf der Seleção. Da lohnt sich ein Blick zu den brasilianischen Frauen erst recht. Denn dort ist mit der erst 24-jährigen Marta eine junge Frau aus dem armen Nordoststaat Alagoas zum „Phänomen“ herangereift, das im Januar schon zum fünften Mal nacheinander zur Weltfußballerin des Jahres gekürt wurde.

Selbst der große Pelé findet für die 1,54 Meter kleine Ausnahmespielerin, die in seinem ehemaligen Club FC Santos wie einst er die Rückennummer 10 trägt, nur noch den Superlativ „Pelé im Rock“.

Das ist eine große Hilfe für das Image des Frauenfußballs in Brasilien, der hier von 1941 bis 1979 per Gesetz als der Mutterschaft abträglicher, gefährlicher Sport sogar verboten war – auch wenn es immer noch keine nationale Frauenliga gibt und die besten Spielerinnen des Landes im Ausland ihre Brötchen verdienen, wie Marta, die in der US-Profiliga spielt.

Präsidentin Dilma Rousseff gratulierte der Weltfußballerin Marta mit den Worten, sie habe alle Brasilianer mit Stolz erfüllt. Und das in einem Moment, in dem das Land sich vorbereite, die beiden größten Sportereignisse des Planeten zu veranstalten. Sicherlich kein schlechter Auftakt für die Amtszeit von Dilma, die in ihrer ersten Rede als Präsidentin verkündete, sie sei angetreten, um weiteren Frauen die Tür als brasilianische Präsidentin zu öffnen. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. Denn auch nach der Berufung von neun Frauen in ihr 37 Minister umfassendes Kabinett beträgt der Anteil von Frauen in Führungspositionen brasilienweit gerade einmal 5 Prozent.

Reinhard Sauer, 1948 geboren, studierte Germanistik, Philosophie und Geschichte. Er arbeitet seit 1980 in verschiedenen Positionen beim Goethe-Institut, derzeit als Institutsleiter in Porto Alegre