Arbeitstitel „Radio Weser TV“

Der gute alte Bürgerrundfunk arbeitet derzeit intensiv an neuen, übergreifenden Strukturen – und einem aufgefrischten Image. Allerdings stellt Radio Bremen ab heute den Nachrichten-Strom ab

von Henning Bleyl

In der Elektro-Sparte der Bremer Medienlandschaft ist Bewegung. Nicht nur, weil Radio Bremen in die Innenstadt zieht. Zum ersten September startet das „center.tv“: Unter der Geschäftsführung von Maik Wedemaier, Sohn des früheren Bürgermeisters, soll das seit einem Jahr im Düsseldorfer und Kölner Kabelnetz erprobte „Heimatfernsehen“-Konzept an die Weser transferiert werden. Der werbungsfinanzierte „Metropolsender“ will sich unter anderem mit umfangreicher Sportberichterstattung Marktanteile erobern, in der Düsseldorfer Region wird er eigenen Angaben zufolge von täglich 75.000 Menschen eingeschaltet.

Noch vor dem „center.tv“ will das „Radio Weser TV“ auf Sendung gehen – beziehungsweise bleiben. Denn hinter dem neuen Namen steckt der bisherige Bürgerrundfunk, der sich derzeit im Umbruch befindet. Zusätzlich zu den bisherigen medienpädagogischen Angeboten und den allgemein zugänglichen Sendungen im „Offenen Kanal“ werden Blogs und das so genannte „Ereignis-TV“ aufgebaut. Gemeint sind Eigenproduktionen, die nicht von LaiennutzerInnen erstellt werden. Sondern Formate wie jüngst der moderierte Wahlabend oder die regelmäßigen Übertragungen der Bürgerschaftssitzungen.

Im Rahmen der Radioarbeit ist auch eine zunehmende Beteiligung kultureller Einrichtungen zu beobachten. Neben dem „Radio Westend“, gesendet aus der Gröpelinger „Kulturwerkstatt“, versucht sich vor allem die Neustädter Schwankhalle als Plattform für innovative Radioformate. Mit finanziellen Mitteln der Kulturhauptstadtbewerbung im Rücken ist dort ein Studio entstanden, in dem viele Interessierte, anfangs auch Radio-Bremen-Mitarbeiter, ihre Ideen erproben. Für das theoretische Fundament des Radiolabors sorgt die Symposium-Reihe „perform:intermedia“, an der sich unter anderem WDR-VertreterInnen beteiligen.

Nichtsdestotrotz muss der Bürgerrundfunk ab heute ohne den Nachrichten-Input von Radio Bremen auskommen. Bislang wurden die übernommenen News zu jeder vollen Stunde gesendet, nach Angaben von Wolfgang Schneider, Direktor der Bremer Landesmedienanstalt, wurde diese seit Jahren geltende Vereinbarung nun von Radio Bremen aufgekündigt. „Ohne Begründung“, sagt Schneider, der allerdings noch auf Verhandlungsbereitschaft hofft. Von Radio Bremen war dazu bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu erhalten.

Der Bürgerfunk will sich nun um eine Nachrichten-Kooperation mit „NDR-Info“ oder dem Deutschlandfunk bemühen. Das hätte den Nachteil der fehlenden lokalen Anbindung, „aber wir selbst können natürlich überhaupt nicht das leisten, was professionelle Redaktionen können“, betont Schneiders Stellvertreter Uwe Parpart, verantwortlich für den Bürgerrundfunk.

Der neue Name Radio Weser TV soll die Aktivitäten der Bürgerfunksender Bremen, Bremerhaven, „Bremer Umland“ und „Wesermündung“ unter einem griffigeren Label bündeln. Hintergrund ist die seit zwei Jahren gültige Überarbeitung des Landesmediengesetzes, durch die ein Qualitätsschub im 1992 gegründeten Bürgerrundfunk erreicht werden soll. Von vornherein hatte sich die Bremer Landesmedienanstalt (LMA) bemerkenswert konsequent für eine intensive Bürgerfunkarbeit entschieden. In Zahlen: Die Hälfte bis zwei Drittel des LMA-Etats werden in diese Praxisanwendung investiert, eine bundesweit einmalige Quote. Wobei mit 900.000 Euro als gemeinsamem Jahresetat der Studios in Bremen und Bremerhaven trotzdem keine allzu großen Sprünge zu machen sind.

Das traditionelle Vorurteil gegen offene Kanäle – „viele senden, keiner sieht zu“ – sieht Parpart nichtsdestotrotz längst widerlegt. In Bremerhaven sei der Offene Kanal „durchaus so etwas wie ein Heimatsender geworden.“ Anhand der „Media-Analyse“ ist das nicht nachzuvollziehen, weil der Bürgerrundfunk an der kostenpflichtigen Untersuchung nicht teilnimmt.

Generell haben die offenen Kanäle in kleineren Städten jedoch in der Tat eher Chancen auf Wahrnehmung. In Bremerhaven Immerhin verortet „Wikipedia“ immerhin das bundesweit größte Fernsehstudio einer nicht-kommerziellen Rundfunkstation – und das dazugehörige Bürgerradio macht regelmäßig Furore mit der Übertragung von Basketball- und Eishockey-Spielen per Internetlivestream.

Diesen bürgerjournalistischen Erfolgen sind freilich enge technische Grenzen gesetzt: Die auf zwei Megabite begrenzte Übertragungstechnik lässt den Server während der Sportevents regelmäßig zusammenbrechen.