„Mit Bart und Brille“

VORTRAG Nerds sind schwer angesagt. Zu männlich ist der Klischee-Mathematiker trotzdem noch

■ 51, ist Mathe-Professor an der Freien Universität Berlin und hat das Buch „Mathematik – Das ist doch keine Kunst!“ geschrieben.

taz: Herr Ziegler, was hat eine abstrakte Wissenschaft wie Mathe mit Menschen zu tun?

Günter M. Ziegler: Mathematik bestimmt heute den Alltag aller Menschen. In Handys, Fahrplänen oder Bankkonten steckt heute mehr davon, als ein Einzelner verstehen kann. Wir müssen mehr darüber wissen, weil es unser Leben lenkt.

Die Figur des Nerds erlebt gerade eine starke Aufwertung durch die Popkultur. Haben es Kinder, die gut in Mathe sind, heute leichter als früher?

Es ist schon wichtig, wie das Mathematiker-Stereotyp aussieht. Wenn ein begabtes 16-jähriges Mädchen heute überlegt, ob sie einmal Mathematikerin werden will, ist diese Vorstellung ziemlich entscheidend. Serien wie „The Big Bang Theory“ zeigen etwas anderes als den 60-jährigen Mann mit Bart und Brille. Das ist gut, aber auch nur ein Zwischenschritt, solange diese Nerd-Figuren überwiegend männlich kodiert sind.

Was für Mathe-Bilder haben Sie sich noch vorgenommen?

Es gibt ein berühmtes Pressefoto, auf dem ein kleines Mädchen mit einem Taschenrechner zu sehen ist. Ich habe dieses Bild durch die Medien verfolgt und die Frau gefunden, die darauf zu sehen ist. Sie ist heute zwanzig und studiert Mathematik in Manchester. Die Botschaft ist einfach: Mädels können Mathe! Oder die Cover von den „Was ist Was?“-Büchern: Die sind auf eine Weise bunt, die Mathe gut tut.

Es gibt ein T-Shirt, auf dem steht „In Mathe bin ich nur Deko“ ...

... und dagegen gab es damals großen Protest. Auch ich habe dagegen polemisiert. Das ist sexistisch, weil es eben ein Mädchen-Shirt ist. Besser gefällt mir ein anderes Mädchen-Mathe-Bild: Eine Postkarte, auf der steht: „Mathe ist ein Arschloch.“ Das ist Trotz gegen ein schweres Fach, signalisiert aber auch den Willen, sich damit auseinanderzusetzen. INTERVIEW: JAN-PAUL KOOPMANN

Vortrag: 19 Uhr, Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4/5