Mutter Courage

Die Österreicherin Sybille Bammer bringt Kind und Karriere unter einen Hut. Das ist selten im Tenniszirkus

PARIS taz ■ Tennisspielerinnen transportieren auf Reisen allerlei. Dicke Schlägertaschen, Trainingsklamotten, Ausrüstung in mehreren Variationen und Farben fürs Spiel und selbstredend was Nettes für den Abend. Sybille Bammer sieht auch gern gut aus, aber bei der Zusammenstellung für unterwegs achtet sie vor allem darauf, dass eine Tasche nicht fehlt: die mit dem Spielzeug für Tochter Tina. Die Kleine ist sechs und hat im Frauentennis mittlerweile selbst schon einen gewissen Bekanntheitsgrad.

Bei vielen Turnieren ist sie dabei, wenn die Mama spielt – die einzige Mutter unter den ersten Hundert der Weltrangliste und die einzige unter den besten 30 sowieso. Es gab eine Zeit, in der Sybille Bammer, 27, aus Ottensheim in Oberösterreich allein deshalb ein Thema war. Sie selbst wollte nie eine große Geschichte daraus machen. „Ich bin nur eine Frau, die ein Kind hat und arbeiten geht“, sagt sie. Und die nie versäumt zu erwähnen, dass das in diesem Job nur funktioniert, weil der Lebensgefährte, Tinas Vater, vorübergehend seinen Beruf als Maschinenschlosser aufgegeben hat, um sich um die Karriere der Mutter und das Wohlergehen von Mutter und Tochter zu kümmern. „Würden das mehr Männer tun“, sagt sie, „gäbe es weniger Probleme.“

Wenn sie trainiert, spielt Tina manchmal auf dem Platz nebenan; wenn sie spielt, sitzt die Kleine oft auf der Tribüne, zeichnet und malt. Und wenn die Arbeit erledigt ist, dann tun sie das Gleiche wie Millionen anderer Familien: essen zusammen, machen es sich nett, und vor dem Schlafengehen verlangt das Kind nach einer Gutenachtgeschichte.

„Die anderen auf der Tour schlagen ihre Zeit mit Computerspielen tot. Oder reden nur vom Tennis und wieder vom Tennis“, sagt Sybille Bammer. „Darauf kann ich gern verzichten.“ Natürlich weiß sie, dass der Tochter die ganz normale, alltägliche Gesellschaft von anderen Kindern fehlt, aber sie weiß auch, dass Tina in diesem Vagabundenleben eine Menge fürs Leben lernt. Seit sie im vergangenen Jahr während des Turniers in Wimbledon jeden Tag einen englischen Kindergarten besuchte, spricht sie besser Englisch als die Mutter. Lesen und schreiben hat sie auch schon gelernt.

Im Herbst wird Tina in die Schule kommen, aber die Eltern haben mit dem Landesschulrat bereits eine Vereinbarung getroffen, dass das Kind weiter gelegentlich mit der Mutter reisen darf. Sicher nicht mehr so oft wie früher, aber doch von Zeit zu Zeit. Denn so richtig gut, meint Sybille Bammer, spiele sie nur, wenn Tina in der Nähe sei. Und inzwischen spielt sie wirklich gut. 2007 ist das mit Abstand bisher erfolgreichste Jahr ihrer Karriere, die relativ spät begonnen hatte und von der viele in österreichischen Tenniskreisen lange Zeit dachten, damit könne es nichts werden. Vor knapp zwei Jahren qualifizierte sie sich nach diversen gescheiterten Versuchen zum ersten Mal für ein Grand-Slam-Turnier, und vor allem 2007 laufen die Dinge bisher auffällig gut. Beim ersten Turnier des Jahres in Hobart/Tasmanien gewann sie gegen Serena Williams, und sie sagt, das sei ein Schlüsselerlebnis gewesen; bis dahin habe sie zu viel Respekt vor großen Namen gehabt. Befreit von dieser Last, gewann sie vier Wochen später beim WTA-Turnier in Pattaya/Thailand den ersten Titel. Und noch höher einzuschätzen war der Erfolg in März in Indian Wells, einem der höchstdotierten Turniere abseits der Grand Slam, als sie unter anderem Top-Ten-Spielerin Ana Ivanovic besiegte und das Halbfinale erreichte. Inzwischen steht sie in der Weltrangliste auf Position 25, mit steigender Tendenz, denn in Paris hat sie dieser Tage die dritte Runde erreicht.

DORIS HENKEL