Trendsport Doping

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen steckte bis über beide Ohren selbst im Radler-Sumpf, drückte beide Augen zu – nun profitieren ARD und ZDF auch noch an dessen symbolischer Trockenlegung

VON STEFFEN GRIMBERG

Bei allfälligen Trockenlegungen des „Dopingsumpfs“ im Radsport und anderswo ist dieser Tage viel von Symbolen die Rede: In politisch nicht uninteressanter Eintracht geißeln Grüne, FDP und CSU (!) das geplante Antidopinggesetz der großen Koalition als „Symbolpolitik“. Der reuige Dopingsünder Erik Zabel wird derweil bei der Bayern-Rundfahrt selbst zum gefeierten Symbol für ein rasantes „Weiter so, war doch alles nicht so schlimm“.

Und auch wenn der Bayerische Rundfunk seine Berichterstattung von der weißblauen Radl-Gaudi etwas gekürzt und um den Beitrag „Quo vadis, Radsport – Nach den Doping-Geständnissen“ bereichert hat: Die eben von ARD und ZDF beschworene Linie, die Ende 2008 auslaufenden TV-Rechte an der „Tour de France“ nicht automatisch zu verlängern, solange man „nicht sicher sein“ könne, „dass Doping bei der Tour keine Chance mehr hat“ (ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender), ist bestenfalls symbolisch zu verstehen.

Denn in diesem Jahr wird natürlich munter weiter von der Tour übertragen. Und war es nicht vor allem die ARD, die jahrelang unter Führung ihres Sportkoordinators Hagen Boßdorf bei früheren Tour-Berichterstattungen alle verfügbaren Augen zugedrückt hat? Von 1998 bis 2004 zierte die Trikots des „Team Telekom“ sogar die blaue 1 des Kosponsors ARD. Und Jan Ullrich selbst war seit seinem Tour-Sieg 1997 schon fast so etwas wie ein freier ARD-Mitarbeiter – dotiert mit von allen ARD-Anstalten abgenickten Sonderverträgen für Exklusivinterviews im Wert von rund 200.000 Euro. Als Ullrich 2003 erstmals unter Dopingverdacht stand, wurden die Sonderverträge trotzdem nochmals großzügig verlängert. Boßdorf erkühnte sich sogar zu dem Satz, wenn die Telekom sage, es gebe kein Doping, gebe es auch für die ARD kein Doping. Von journalistischer Selbstaufgabe sprachen schon damals die Kritiker. Anfang 2006 legte ein Gerichtsurteil dann fest, die Behauptung, die ARD betreibe eine das Doping begünstigende Berichterstattung, sei statthaft.

Und auch das ZDF hat seine schwarzen Schafe: Der jetzt reuig seine Dopingsünden beichtende Exprofi Rolf Aldag stand beim Zweiten 2006 als Radsportexperte vor der Kamera.

Noch im Herbst vergangenen Jahres rechtfertigten die ARD-Intendanten auch weiterhin munter ihre „Sonderbehandlung“ für den gefallenen Star Ullrich: Man sei von den Privatsendern in Sachen Spitzensport abgehängt worden, habe aber doch auch „Helden“ gebraucht, heischte im September 2006 ARD-Programmdirektor Günter Struve um Verständnis – und übernahm die alleinige Verantwortung für die Verträge.

Da war die Bundesliga längst wieder in der ARD-„Sportschau“ zu Hause, Jan Ullrich hingegen endgültig im Radsport abgemeldet. Aber auf mehreren Intendanten-Sitzungen wurde das Thema Doping weiter souverän umschifft. Der Vertrag des auch wegen angeblicher Stasiverwicklungen immer schwerer belasteten Sportkoordinators Hagen Boßdorf wurde sogar munter verlänger, bis dieser dann kurze Zeit später wegen eines vergleichsweise geringfügigen Schleichwerbe-Vergehens abserviert wurde.

Prompt kam – auch dies sehr symbolträchtig – der zwischendurch abgemeldete ARD-Sportreporter Hajo Seppelt wieder zum Vorschein und darf sich seitdem zur allgemeinen Zufriedenheit für die kritische Auseinandersetzung in Sachen Doping stark machen.

Doch wirklich Ernst machte erst der Mai – nicht wegen umtriebiger TV-Recherchen, sondern eher wegen des Drucks der internationalen Doping-Ermittler. Plötzlich bequemt sich der ehemalige Radprofi Bert Dietz bei „Beckmann“ zum Geständnis. Die Trockenlegung des Sumpfs, bei dessen Entstehen sie zumindest duldsam weggeschaut hatten, wollen die Öffentlich-Rechtlichen nun höchst erfolgreich selbst betreiben: Bei den öffentlichen Geständnissen von Aldag, Zabel & Co. schalteten bei ARD und ZDF zusammen mehr Menschen ein als 2006 bei der letzten Etappe der „Tour de France“.

Die läuft auch 2007 natürlich bei ARD und ZDF: Von einer Absage würde der Sport nicht sauberer oder schmutziger, heißt nun die Parole. „Jetzt auszusteigen wäre das Falscheste, was wir tun können“, erklärte ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender vergangene Woche vor dem Sportausschuss des Bundestages.

Und ARD-Programmdirektor Struve verstieg sich an gleicher Stelle zu der Aussage: „Wir sind nicht nur ein Broadcaster, der die Kamera draufhält – sondern wir werden unserer gesamtpolitischen Verantwortung gerecht.“

War der Mann am Ende vielleicht gedopt?