US-Terrorparagraf trifft Öko-AktivistInnen

Wegen teils militanter Aktionen gegen Sachen und Tierbefreiungen werden in den USA viele Jahre später UmweltaktivistInnen als Terroristen verurteilt – zu absurd hohen Haftstrafen. Beim FBI rangieren Umweltbewegte offiziell unter „Terroristen“

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Chelsea D. Gerlach war eine sehr engagierte Umweltaktivistin. Mit 16 setzte sie sich ins Auto und fuhr alleine die weite Strecke vom US-Bundesstaat Oregon nach Idaho, um dort gegen den Verkauf von Holz zu protestieren. Sie sprach bei Universitäts-Veranstaltungen und gab Studenten-Publikationen Interviews. Sie sagte damals Sätze wie „unsere Generation ist dazu geboren worden, die Erde zu retten“.

Vergangene Woche sagte Chelsea Gerlach, mittlerweile 30 Jahre alt, dass sie ihre damaligen Aktionen bereue und dass sie die Situation heute anders sehe. Gerlach sagte dies vor Gericht, nachdem sie sich in 18 Anklagepunkten für schuldig befunden hatte. Doch Gerlachs Reue konnte US-Bundesrichterin Ann L. Aiken kaum beeindrucken. Sie verurteilte die Umweltaktivistin zu neun Jahren Gefängnis, zum Teil unter Terrorismusvorwurf, für Taten wie Brandstiftung an einem Umspannwerk, einem Holzforschungsinstitut und an Gebäuden in einem Ski-Resort in Colorado sowie der Mitgliedschaft in der „die Familie“ genannten radikalen Umweltgruppe. Gerlach und neun andere AktivistInnen sollen sowohl mit der radikalen US-Organisation der Earth Liberation Front sowie der Animal Liberation Front verbunden gewesen sein. Ihre Anschläge sollen sie zwischen 1996 und 2001 verübt haben, festgenommen wurden die AktivistInnen in den vergangenen zwei Jahren.

Laut Mitteilung des US-Justizministeriums und des FBI vom Januar vergangenen Jahres, als die Anklagen gegen Gerlach und die neun anderen Aktivisten erhoben wurden, rangieren „Verbrechen im Namen der Umwelt“ beim FBI in der Kategorie „interner Terrorismus“. Vergangene Woche lehnte Richterin Aiken in Eugene, Oregon, dann auch die Argumente von Gerlachs Verteidigung ab, die Angeklagte habe lediglich Sachbeschädigung betrieben. Sie urteilte schließlich Ende vorvergangener Woche, dass Gerlachs Taten zum Teil unter die seit dem 11. September 2001 gültige Anti-Terror-Gesetzgebung falle, weshalb sich die verhängte Gefängnisstrafe von den üblichen fünf auf neun Jahre erhöhte. Vergangene Woche erhielten mit der gleichen Begründung Stanislas G. Meyerhoff 13 Jahre sowie Kevin Tubbs 12 Jahre und sieben Monate Gefängnis.

Die Richterin gab an, dass sie trotz der Anwendung des „terrorism enhancement acts“ besondere Milde habe walten lassen, da die drei Angeklagten sich kooperativ und einsichtsvoll verhalten hätten. Den restlichen sieben Gruppenmitgliedern, die nach Angaben von US-Medien bis zum Wochenende verurteilt werden sollen, drohen wesentlich höhere Gefängnisstrafen, zum Teil bis zu 30 Jahren. In Blogs und Kommentaren aus der US-Umweltszene äußerten sich zahlreiche Beobachtende empört. „Es ist unerhört, dass sie in eine Kategorie mit Ussama Bin Laden gesteckt werden“, sagte ein Beobachter, Jim Flynn, Mitglied bei Earth First!, nach den Urteilsverkündungen vergangene Woche. „Das verzerrt doch den Begriff ‚Terrorist‘ völlig.“