Der schwarz-grüne Jo

Er hat Hamburgs GAL in die schwarz-grüne Zwickmühle gebracht: Joachim, der sich Jo nennt, Müller FOTO: MARKUS SCHOLZ

Nein, bequem ist er wahrlich nicht. Wollte er auch nie sein. Als Querdenker gefällt sich Dr. Joachim Müller besser. Und als Vordenker eines grünen Realo-Flügels, den es längst nicht mehr gibt, immer noch. Ab 1. Juli zudem würde er sich gefallen als erster schwarz-grüner Bezirksbürgermeister in Hamburg.

Am Donnerstagabend soll der 60-jährige Volkswirt, der Ende der 80er Jahre kurzzeitig für Bremens Grüne im Bundestag saß und ein paar Wochenstunden an der Uni Oldenburg doziert, in der Bezirksversammlung Altona gewählt werden – mit den Stimmen von CDU und Grün-Alternativer Liste (GAL), die seit drei Jahren in Hamburgs wildem Westen kooperieren. Allerdings gegen den Willen der eigenen Partei.

Die will, neun Monate vor der Bürgerschaftswahl, sich offiziell auf keine Koalitionsspekulationen einlassen. Dabei ist die Marschrichtung klar, den CDU-Senat des Ole von Beust abzulösen durch eine rot-grüne Regierung. Müller aber, vor einer Woche für den – unpolitischen – Posten des Verwaltungschefs nominiert, erklärte sich flugs zum „Signal für Schwarz-Grün“ im Stadtstaat.

Seitdem fliegen bei den Grünen, von denen Mitbegründer Müller behauptet, er habe diese Partei „geradezu erfunden“, die politischen Fetzen. Der Hardcore-Realo, der dreimal mit dem Versuch scheiterte, in Hamburg grüner Parteichef zu werden, sei nicht für politische Strategien zuständig, echauffiert sich die gewählte Chefetage um die Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Anja Hajduk. Sie verlangt den Rückzug des Mannes, der seinen hausbackenen Vornamen schon lange zu einem weltläufigen Jo verdichtet hat.

In der Nacht zu gestern endete eine mehrstündige Krisensitzung von Landes- und Kreisvorstand mit der Bezirksfraktion mit einem lautstarken Knall. Die zehn Abgeordneten pochen auf ihre Fraktionsautonomie und verbitten sich Einmischungen von oben. Die grüneninterne Klimakatastrophe ist nicht mehr zu bemänteln.

Müller selbst räumt leutselig ein, „einen Fehler gemacht“ zu haben – und schweigt vorerst in der Öffentlichkeit. Das sei ein trügerisches Schweigen, glauben jene, die „den Jo“ aus langjähriger Parteitagserfahrung für „eine tickende Zeitbombe“ halten. Die Furcht geht um vor dem, was Müller so daherreden könne, wenn er erst mal gewählt ist.

Altonas Grüne aber halten an dem Mann fest, weil sie in der Zwickmühle stecken. Denn nicht von ungefähr war Müller der einzige Kandidat, der beim Partner CDU auf Wohlgefallen stieß. Das sei ein Mann, heißt es dort zufrieden, „mit schwarzem Profil“.

Genau da jedoch liegt das strategische Dilemma. SVEN-MICHAEL VEIT