Lebenszeichen von entführtem BBC-Reporter

Entführer des im Gaza-Streifen verschleppten Alan Johnston veröffentlichen erstmals Videobotschaft im Internet

JERUSALEM taz ■ Knapp drei Monate nach seiner Entführung gibt es ein Lebenszeichen des BBC-Korrespondenten im Gaza-Streifen, Alan Johnston. Seine Entführer veröffentlichten gestern ein Video im Internet, in dem der 45-Jährige berichtet, er werde „sehr gut“ behandelt. Im weiteren Verlauf seiner einminütigen Stellungnahme macht er auf das „palästinensische Leiden“ aufmerksam, das „Folge der 40-jährigen israelischen Besatzung ist“, und kritisiert die „britische Verantwortung“ an Menschenrechtsverletzungen auch in Irak und Afghanistan.

Eine Arabisch sprechende Stimme umreißt anschließend die Forderungen: Großbritannien müsse „Scheich Abu Qatada“ aus dem Gefängnis entlassen, ferner sollten „unsere Häftlinge in anderen ungläubigen Staaten“ nicht in Vergessenheit geraten. „Ich bin Zeuge des palästinensischen Leidens“, sagt Johnston in dem Video, dass auf der Webseite al-Ekhlaas.net gezeigt wurde.

Die am 12. März erfolgte Entführung Johnstons ist für die palästinensische Sache indes kontraproduktiv. Solange Johnstons Schicksal unklar ist, wagen sich nur noch wenige Korrespondenten in den palästinensischen Küstenstreifen. Die Berichterstattung über das Leid des palästinensischen Volkes wird damit automatisch weniger.

Der Gaza-Streifen – seit gut einer Woche wieder Schauplatz militärischer Operationen – gerät zunehmend ins Abseits des öffentlichen Interesses. Die Entführung Johnstons, der als letzter Auslandsreporter im Gaza-Streifen fest stationiert war, ist zwar nicht die erste, aber mit Abstand die längste. In den letzten zwei Jahren wurden 14 Journalisten verschleppt. Die meisten von ihnen kamen innerhalb weniger Stunden wieder auf freien Fuß. Die bislang längste Entführungsfall zog sich über 14 Tage hin, als zwei Fox-Reporter verschleppt worden waren. In der Regel fordern die Entführer Geld oder die Freilassung inhaftierter Familienangehöriger.

Bereits Anfang Mai hatten die Entführer Johnstons, die sich als Aktivisten der „Armee des Islam“ bezeichnen, die Entlassung des palästinensischen Geistlichen Abu Qatada gefordert, der infolge des Verdachts, Kontakte zur al-Qaida zu unterhalten, von der britischen Regierung festgehalten wird. Die „Armee des Islam“ gehört zu den drei Gruppen, die den israelischen Soldaten Gilad Schalit vor knapp einem Jahr in den Gaza-Streifen entführten. Chef ist Mumtas Dugmush alias Abu Muhammad, der zu einer einflussreichen Großfamilie im Gaza-Streifen gehört. Ziel der Gruppe ist die Befreiung Palästinas und die Errichtung eines islamischen Staates.

Über 130.000 Unterschriften wurden in den vergangenen zehn Wochen für die Befreiung Johnstons gesammelt. Palästinensische Journalisten hielten wiederholte Proteststreiks gegen die Führung ab, die nichts unternähme, um den Entführten zu befreien. Johnston, der nach dreijährigem Einsatz im Gaza-Streifen im Sommer abberufen werden sollte, hat sich in den Palästinensergebieten den Ruf des objektiven und fairen Berichterstatters erworben.

SUSANNE KNAUL