Ausgebrannte Frontfrau des Friedens

Seit Cindy Sheehan vor zwei Jahren vor George W. Bushs Ranch in Texas öffentlich um ihren Sohn trauerte, wurde sie das Gesicht der US-Friedensbewegung. Jetzt will sie wieder privat werden FOTO: AP

Sie sagt, sie will nicht länger das Gesicht der US-Friedensbewegung sein. Deshalb wolle sie wieder nach Hause, nach Kalifornien zurückkehren, um „für meine überlebenden Kinder wieder eine Mutter zu sein und ein Stück von dem zurückzugewinnen, was ich verloren habe“. Für sie, die unermüdliche Friedensaktivistin, sei das kein Eingeständnis der Niederlage, schreibt Cindy Sheehan, als sie zu Wochenbeginn ihre „Kündigung“ auf der liberalen US-Internetseite The Daily Kos verkündet.

Angetreten zu diesem uferlosen Kampf war Sheehan, nachdem ihr Sohn Casey, 24, als US-Soldat am 4. April 2004 im Irak getötet worden war. Sheehan zog, um ein Gespräch mit Bush zu erzwingen, im August 2005 vor dessen Ranch in Crawford, Texas, und verkündete, sie werde ihr dortiges Camp erst wieder verlassen, wenn der Präsident sie empfängt.

Weder hat Bush, der sie kurz nach dem Tod ihres Sohnes getroffen hatte, sie ein weiteres Mal empfangen, noch scheint Sheehan, die tausende von Kriegsprotestlern mobilisiert hat, aus ihrer Aktion irgendeine Befriedigung gezogen zu haben. Sie sei nun zu der niederschmetternden Erkenntnis gelangt, schreibt sie, dass ihr Sohn Casey „tatsächlich für nichts“ gestorben sei. Seit Casey nur fünf Tage nach seiner Ankunft in Bagdad getötet wurde, habe sie Tag für Tag versucht, seinem Opfer einen Sinn zu geben, schreibt die knapp Fünfzigjährige. Aber ihr Sohn sei für ein Land gestorben, „dem es wichtiger ist, wer der nächste ‚Superstar‘ wird, als wie viele Menschen in den kommenden Monaten sterben werden“.

Auch privat hat Sheehan für ihr Engagement einen hohen Preis bezahlt. Ihr Ehemann Patrick verlangte wegen „unüberbrückbarer Differenzen“ nach 28 Jahren die Scheidung – Medienberichten zufolge war er nicht mit ihren Aktivitäten in der Antikriegsbewegung einverstanden. Nun, nach zahllosen Festnahmen, Auslandsreisen und internationalen Protestveranstaltungen, sei sie „ausgebrannt“, schreibt Sheehan. Sie habe schon seit einem Jahr mit dem Gedanken gespielt, die Friedensbewegung zu verlassen.

Nach Caseys Tod gründete Sheehan die Protestbewegung „Gold Star Families for Peace“, die aus Hinterbliebenen getöteter Soldaten besteht. Seit ihrer „Kündigung“ wird Sheehan nun mit E-Mails von Move-America-Forward-Aktivisten, einer Pro-US-Armee-Organisation, bombardiert, die ihr Protestgrundstück in Crawford kaufen wollen, um darauf ein Soldaten-Denkmal zu errichten. Sheehan plant nach Angaben ihrer Organisation, das Grundstück kommende Woche auf eBay zu versteigern: Mindestpreis 80.000 US-Dollar.

ADRIENNE WOLTERSDORF