Kinder, keine UMFs

MIGRATION Flüchtlingsinitiativen fordern den Senat auf, ein Konzept zum Umgang mit Minderjährigen vorzulegen. Sie kritisieren die öffentliche Debatte um ein „Flüchtlingsproblem“ als fehlgeleitet

Acht Monate war einer der Jugendlichen in der Zast. Vorgesehen sind drei bis fünf Tage

Bremen ist mit der Unterbringung und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) überfordert. Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) sagt das, die Sozialbehörde sagt das und die Flüchtlingsinitiativen sowieso. Was letztere aber auf keinen Fall wollen, ist dabei von einem „Flüchtlingsproblem“ zu sprechen.

Als „fehlgeleitet“ bezeichnete Rechtsanwalt Matthias Westerholt von „Fluchtraum“ die derzeitige Debatte. Sein Verein hatte mit dem Flüchtlingsrat und der Flüchtlingsinitiative am Mittwoch zu einem gemeinsamen Termin geladen.

Für Westerholt führe schon der mittlerweile gängige Begriff UMF in die falsche Richtung. „Das sind Kinder“, sagt er. Und die stünden „unter besonderem Schutz, unabhängig von ihrer Herkunft“. Darauf haben sie einen Rechtsanspruch, jedenfalls in der Theorie.

Tatsächlich aber sei davon bereits bei der Ankunft in der Zentralen Erstaufnahme (Zast) nicht mehr viel zu merken, sagen die Fluchtraum-Mitarbeiter. Sie übernehmen ehrenamtlich Vormundschaften für die Jugendlichen. Acht Monate war einer der Jugendlichen in der Zast, sagt eine Betreuerin. Vorgesehen sind drei bis fünf Tage.

Sie benennt die Folgen: Magenprobleme von schlechtem Essen und Schlafstörungen wegen des andauernden Lärms. Übermüdet in der Schule hätten die Jugendlichen besonderen Stress, weil sie nicht nur um ihre Noten Angst hätten, sondern auch um ihren Aufenthaltsstatus. Bremen gewährt eine Duldung, solange sie sich in Ausbildung befinden. In anderen Bundesländern ist das nicht so.

Einigen haben Glück und landen schließlich in Einrichtungen der regulären Jugendhilfe. Zusammen mit deutschen Jugendlichen würden die Flüchtlinge „aufblühen“, sagen die Fluchtraum-Mitarbeiter.

Marc Millies vom Flüchtlingsrat begrüßt einige Maßnahmen der Sozialbehörde. Etwa das „Clearinghaus Bahia“, das Ende vergangenen Monats eröffnete und in dem 30 Minderjährige untergebracht sind und betreut werden. Aber: Die Betreuung von 30 Kindern sei nicht viel angesichts der rund 300 minderjährigen Flüchtlinge in Bremen, so Millies.

Für Sofia Leonidakis von der Flüchtlingsinitiative besteht ein politisches Problem darin, dass die Jugendhilfe grundsätzlich zu schlecht ausgestattet sei. Der Senat müsse für die Ausbildung von Fachkräften sorgen.

Die Initiativen kennen viele Probleme, die anzugehen wären. Dafür brauche es ein „grundsätzliches Konzept und kein Gerödel an Einzelfragen“, so Millies. Dafür sollte die Sozialbehörde Experten hinzuziehen. Alles andere sei „fahrlässig und verantwortungslos“.

Die öffentliche Debatte aber, da sind sich alle Gruppen einig, führe in eine andere Richtung: Die Flüchtlinge nicht als Individuen anzuerkennen. Mit ihren je eigenen Geschichten, Ängsten und Perspektiven.  JPK