hört auf den Sound der Stadt

TIM CASPAR BOEHME

Schon wieder hat ein neuer Festivalmarathon begonnen: Kaum zu übersehen dabei das Jazzfest Berlin, das in diesem Jahr sein ehrfurchtgebietendes 50. Jubiläum begeht. Den Auftakt macht am Donnerstag der nicht nur für seine markante Haartracht, sondern auch für fortentwickelte Abstraktionen des Gitarrenspiels berühmte Elliott Sharp. Für Fans des Saxofonisten Archie Shepp gibt es zudem eine gute Nachricht: Der inzwischen mit einer Ehrendoktorwürde dekorierte Free-Jazz-Pionier hat kurzfristig seine Auftritte am Freitag und Samstag bestätigt. Und damit wären wir denn auch bei der schlechten Nachricht: Benny Golson, der zunächst statt Shepp angekündigt war, konnte wegen einer Erkrankung nicht anreisen. Unter den jüngeren Vertretern des Jazz zu begrüßen sind die Pianistin Johanna Borchert, die ihr Album „Desert Road“ vorstellt, auf dem sie ebenfalls als Sängerin in Erscheinung tritt, und das schwedische Free-Jazz-Rock-Trio The Thing (verschiedene Orte, 30. 10. bis 2. 11., Karten unter www.berlinerfestspiele.de).

Jazz im weitesten Sinn bietet auch das Umlaut Festival, das zeitgleich mit dem Jazzfest am Donnerstag im Ausland beginnt. Hier wird das Improvisieren sogar noch etwas freier gehandhabt, dafür bürgen so abenteuerlustige Musiker wie der Saxofonist Pierre Borel, die Trompeterin Liz Allbee oder das Quartett The Still um die australischen Improv-Musiker Chris Abrahams und Steve Heather (30. 10.–1. 11., Lychener Str. 60, 21 Uhr, 9/6 €).

Spiritueller geht es am Samstag im Savvy Contemporary zu, wo der Schweizer Klangkünstler Gilles Aubry sein Buch mit CD „The Amplification of Souls“ vorstellen wird. Das Buch dokumentiert eine Reise nach Kinshasa, wo Aubry einen Gottesdienst besuchte und die kollektiven Gebete der Gemeinde aufnahm, um daraus eine Collage der ganz besonderen Art zu formen: Hier wird wild in Zungen durcheinandergeredet, Stimmen werden von den Verstärkeranlagen ins Unmenschliche verzerrt, sodass man bei dem Resultat eher an die Apokalypse als an Seelenheil denken möchte (Richardstr. 20, 17 Uhr).

Am Montag ist dann der Auftakt zum nächsten Jubiläum: 25 Jahre, also halb so lang wie das Jazzfest, gibt es immerhin schon die Klangwerkstatt, die in den Sophiensælen, dem Ballhaus Ost und dem Konzertsaal Zellestraße Musik jenseits von „Genre- und Generationsgrenzen“ präsentiert. Klanginstallationen, Musiktheater und Ensemblekonzerte stehen auf dem Programm, als Künstler erwartet werden das ensemble mosaik, der Mouse-on-Mars-Musiker Jan St. Werner oder das Sonar Quartett (3.–16. 11., verschiedene Orte, Informationen unter www.klangwerkstatt-berlin.de).