Die ganz große Eintracht

Natürlich ist Bürgermeister Ole von Beust bei der nächsten Wahl Spitzenkandidat. Und natürlich nickte der CDU-Parteitag die Kandidatenliste ohne Änderungen ab. Wer kämpfte, wurde bestraft

Von Sven-Michael Veit

Die Unzufriedenheit in der Hamburger CDU mit Bürgermeister Ole von Beust wächst. Vier von 197 Delegierten wagten es, auf dem Parteitag am Sonnabend gegen ihn als Spitzenkandidaten bei der nächsten Bürgerschaftswahl zu stimmen – doppelt so viele wie beim vorigen Wahlparteitag im Januar 2004. Ole von Beust wird es verschmerzen können. 98 Prozent Zustimmung und drei Minuten stehende Ovationen des Parteivolkes sind durchaus hinreichende Anlässe, sich auf dem eigenen Stuhl stehend im Bürgerhaus Wilhelmsburg feiern zu lassen.

Zuvor hatte von Beust, der durchaus spitzzüngig zu formulieren versteht, sich in einer halbstündigen Ansprache vor den Delegierten betont staatsmännisch präsentiert. Er lobte die „erfolgreiche Arbeit“ seines Senats, die den Haushalt konsolidiere und die Stadt wachsen lasse: Wirtschaft und Hafen gediehen, Arbeitsplätze entstünden und Touristen strömten. Außerdem sei die Kitapolitik vorbildlich und Innere Sicherheit kein Thema mehr. Bei der CDU sei Hamburg „in guten Händen“, zitierte von Beust den Wahlkampfslogan seiner Partei.

Die auf Parteitagen üblichen Angriffe auf die politische Konkurrenz blieben aus, von zwei kleineren Seitenhieben auf den finanzpolitischen „Populismus“ der SPD und die schulpolitische „Gleichmacherei“ der Grünen abgesehen. Er wolle „kein Koalitionsgesabbel“, stellte der Bürgermeister klar, ohne die absolute Mehrheit als Wahlziel zu benennen. „Wir brauchen“, so seine weiche Formulierung, „als einzigen Koalitionspartner die Bürger dieser Stadt.“

Allzu groß ist die Siegeszuversicht bei den Christdemokraten nach den jüngsten Umfragen aber nicht (siehe Kasten). Ein Indiz dafür ist, dass sich alle SenatorInnen auf der Liste absichern ließen. Falls es mit dem Wahlsieg nächsten Februar nicht klappen sollte, blieben ihnen wenigstens die Diäten als Abgeordnete. Es fehlen nur Justizsenator Carsten Lüdemann, der als Spitzenkandidat im Wahlkreis Harburg sein Mandat sicher haben sollte, und Wirtschaftssenator Gunnar Uldall. Der will nach der Wahl die Rente mit 67 genießen.

So firmieren hinter von Beust die Zweite Bürgermeisterin Birgit Schnieber-Jastram (95,9 Prozent Ja-Stimmen) und Finanzsenator Michael Freytag (90,8). Auf Rang 6 folgt Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (84,3), die erst vor gut zwei Jahren in die Partei eintrat, und auf Platz 12 Bausenator Axel Gedaschko (93,3), den von Beust vor eineinhalb Jahren aus dem Speckgürtel in die Hansestadt lockte. Die beiden hatten vom Landesvorstand einen sicheren Platz versprochen bekommen, was die Delegierten in der Abstimmung bestätigten.

Sorgsam registriert wurde auf der Pressebank die Tatsache, dass Neuling Gedaschko ein besseres Ergebnis und mehr Beifall erhielt als Freytag: Ein Dämpfer für den 49-jährigen Parteivize, der sich in der Rolle des Kronprinzen gefällt, falls von Beust irgendwann abdanken sollte.

Blutige Nasen holten sich alle, die Kampfkandidaturen wagten. Jugendpolitikerin Stefanie Strasburger, auf der 65 Plätze umfassenden Vorschlagsliste des Landesvorstandes nicht berücksichtigt, fiel gleich zweimal bei dem Versuch durch, einem männlichen Christdemokraten den sicheren Listenplatz abzunehmen. Frauenpolitikerin Marita Meyer-Kainer musste sich mit dem ihr zugewiesenen – und aussichtslosen – Platz 42 begnügen, nachdem sie ein Duell um Rang 27 verloren hatte. Ebenso ging es Sportpolitiker Lars Dietrich auf Platz 41, der im Ringen um Rang 26 eine Niederlage einsteckte.

Den tiefsten Sturz muss Bettina Bliebenich verdauen, die 2004 noch weit vorn auf Listenplatz acht firmierte. Die Vize-Präsidentin der Bürgerschaft, nicht erneut nominiert, hatte vor dem Parteitag Kampfeswillen signalisiert. Nach den Watschen für Strasburger, Meyer-Kainer und Dietrich aber trat die 46-Jährige dann gar nicht erst an.

„Streit spaltet“, hatte vorab der Vorsitzende der Listenkommission gemahnt, der Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke: „Positionsgerangel untergräbt die Moral.“

Die Delegierten verstanden.