HANDBALL IM NORDEN
: Triumph und Abgrund

Die beste Fußballmannschaft der Landeshauptstadt ist gerade in die vierte Liga abgestiegen – und 20.000 Menschen feiern frenetisch einen Handball-Verein. Das gibt es nur in Schleswig-Holstein. Im sportlichen Glanz, in den das Land getaucht ist, welkt das Mauerblümchen Fußball um so schneller.

KOMMENTAR VON Ralf Lorenzen

Die Dominanz des Handballs über König Fußball reicht hier, wo es noch nie einen Fußball-Bundesligisten zu feiern gab, bis in die 50er Jahre zurück und hat viel mit der Nähe zur großen skandinavischen Handball-Tradition zu tun. Noch heute sind Spiele zwischen Flensburg und Kiel verkappte Länderspiele zwischen Dänemark und Schweden.

Es wäre zu schön, den märchenhaften Handballsommer als Triumph regionaler Traditionen in einer globalisierten Sportwelt zu sehen – zumal der THW Kiel seine Titel mit einem Rumpfteam erreichte und nun an einer Legende strickt, die an Herberger-Mythen erinnert.

Doch Vorsicht: Auch die letzten gesunden Kieler gehörten noch zu den besten Welt, und der THW war der erste deutsche Verein, der die Gesetze des Profi-Fußballs konsequent auf den Handball übertragen hat. Und mit dem HSV hat sich ein Verein in die blau-weiß-rote Dominanz gedrängt, den es so bis vor fünf Jahren noch gar nicht gab. Hamburgs Wirtschaft kann sich eben mehrere Könige leisten.