Thunder spielt galaktisch daneben

Für Spieler und Trainer war es eine der bittersten Niederlagen überhaupt: Berlin Thunder verliert gegen Frankfurt Galaxy 22:25. Nur war das Spiel eigentlich so wie die ganze Saison: eine verkorkste Serie aus Pleiten, Pech und Pannen

„Die Jungs haben super gefightet, so gewinnt man Fans“

Travis Lulay war nicht wütend. Er trat nicht gegen die Bank, er schmiss nicht seinen Helm in die Ecke, er stand da nur ganz ruhig, blickte hinaus auf den Rasen des Olympiastadions, auf dem Berlin Thunder mal wieder verloren hatte, und konnte es nicht fassen. In den leeren Augen des Berliner Quarterbacks war nach der 22:25-Niederlage gegen Frankfurt Galaxy nur eins zu lesen: endlose Frustration. Seinen Kollegen ging es kaum anders. Running Back Chris Barclay schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf, und Safety Oliver Flemming sprach „von einer der bittersten Niederlagen, die ich je erlebt habe“.

Dabei war es weniger die Schlappe an sich, die die Thunder-Spieler so frustrierte: Schließlich sollte man das Verlieren nach der sechsten Niederlage im achten Spiel gewohnt sein, und vor heimischem Publikum hatte man in diesem Jahr schließlich noch gar nicht gewinnen können. Zudem ging es gegen die Galaxy eigentlich um nichts mehr, weil Thunder schon vor dem Spiel keine Chance mehr hatte, sich für das Endspiel der NFL Europa, die World Bowl, zu qualifizieren. Nein, es war die Art der Niederlage, die Fassungslosigkeit hervorrief.

Schließlich hatte Berlin seine beste Saisonleistung gezeigt, sich eine verdiente 22:3-Führung erspielt, und Manager Joe Cealera musste bereits die ersten Gratulanten abwehren. Doch dann fiel das Team auseinander: Im Angriff gelang nichts mehr, und die Verteidigung brach zusammen. Frankfurt erzielte in den letzten neun Minuten drei Touchdowns und drehte ein bereits verlorenes Spiel.

So war das Spiel für Thunder der Spiegel einer verkorksten Saison aus Pleiten, Pech und Pannen: Ein verwandeltes Fieldgoal wurde aberkannt wegen eines Fouls und der anschließende zweite Versuch vergeben; ein weiteres Fieldgoal wurde verschossen; Passfänger rutschten im entscheidenden Moment aus; Quarterbacks übersahen freie Mitspieler; und schließlich prallte auch noch der Ball vom Helm eines Berliner Verteidigers ausgerechnet einem Frankfurter zum Touchdown in die Hände.

Immerhin: Bis zum sensationellen Comeback der Frankfurter hielten sich diese Fehler in Grenzen. „Wir waren über weite Strecken die bessere Mannschaft“, fand Flemming. „Wir haben drei Viertel lang richtig gut gespielt“, stimmte Barclay zu. Barclay, schon vor dem Spiel erfolgreichster Yard-Sammler der gesamten Liga, konnte seine Statistiken noch einmal aufpolieren. Sogar Trickspielzüge gelangen in dieser Phase. „aber wir haben den Sack nicht zugemacht“.

Exakt dieselbe Formulierung wählten auch Lulay, Flemming und ein ungewohnt schmallippiger John Allen. Der Cheftrainer wies dann auf den Sinn der NFL Europa hin, Talenten nötige Spielpraxis zu verschaffen: „Die Spieler sind hier, um sich zu verbessern.“ Einen Sieg auch nach Hause zu bringen, „das ist offensichtlich etwas, was sie noch lernen müssen“, sagte Allen. Eine andere Erklärung hat Manager Joe Cealera. Er befand, der Unterschied im Spiel zweier an diesem Tag gleichwertiger Mannschaft war der Frankfurter Quarterback J. T. O’Sullivan. Der, so Cealera, „ganz ausgekochte Hund“ hatte mit seinen drei Touchdown-Pässen in der Schlussphase das Spiel nahezu im Alleingang gedreht. Tatsächlich ist der 27-jährige Sullivan für einen Spielmacher in der NFL Europa ungewöhnlich erfahren, war einige Jahre bereits in der NFL unter Vertrag und spielte schon 2004 eine gute Saison für Frankfurt.

Einen erfahrenen Mann wie Sullivan hätte Cealera sichtlich gerne auch in seinem Team auf der zentralen Position gesehen. Aber trotzdem war der Manager zufrieden mit dem Spiel: „Die Jungs haben super gefightet, so gewinnt man Fans.“ Immerhin sahen die diesmal 11.822 Zuschauer eine zeitweise vielleicht nicht hochklassige, aber doch bis zur letzten Sekunde spannende und bisweilen wirklich dramatische Partie.