Der Spielverderber

Dänemark gegen Schweden: Ein dänischer Fan attackiert den deutschen Schiedsrichter Herbert Fandel. Daraufhin wird die Partie abgebrochen

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

„Wer ist dieser Idiot?“, fragte die dänische Boulevardzeitung Ekstrabladet am Sonntag über ihre gesamte Titelseite. Der „Idiot“ auf dem großformatig abgedruckten Foto ist derzeit „Dänemarks meistgehasster Mann“, wie die Zeitung ebenfalls weiß. Ihn hielt es nicht mehr auf dem Stadion-Sitz, als der deutsche Schiedsrichter Herbert Fandel im Kopenhagener Park-Stadion am Samstagabend in der 89. Spielminute des EM-Qualifikationsspiels auf einen Elfmeter für Schweden entschied. Der dänische Nationalspieler Christian Poulsen hatte dem Schweden Markus Rosenberg einen Haken in den Magen versetzt und dafür die rote Karte gesehen. Der Rowdy kletterte daraufhin über die Absperrung, rannte aufs Spielfeld und wollte gerade zu einem Griff um Fandels Hals ansetzen, als dänische Spieler ihn stoppen konnten.

3:3 war zu diesem Zeitpunkt der Spielstand zwischen Dänemark und Schweden. In der schweren Qualifikationsgruppe F, von vielen Medien zur „Todesgruppe“ ausgerufen, galt dieses Match als Schlüsselspiel. Denn nur zwei der vier derzeit um die Spitzenplätze kämpfenden Mannschaften – Spanien, Nordirland, Dänemark und Schweden – werden zur Europameisterschaft reisen können. Die schwedische Elf, die wieder auf ihren verletzten Stürmerstar Zlatan Ibrahimovic verzichten musste, hatte einen richtig guten Start erwischt und ging schnell mit zwei Treffern von Johan Elmander und einem Freistoßtor von Petter Hansson in Führung. Daniel Agger konnte noch vor dem Halbzeitpfiff auf 3:1 verkürzen. In der zweiten Halbzeit drehte Dänemark das streckenweise hochklassige Spiel zu seinen Gunsten um. Durch Tore von Jon Dahl Tomasson und Leon Andreasen errangen sie den Ausgleich. Dann passierte das, was Dänen-Trainer Morten Olsen auf der Pressekonferenz als „einen fürchterlich schwarzen Tag“ für den dänischen Fußball bezeichnete. Nach der Schiedsrichter-Attacke unterbrach Herbert Fandel das Spiel. Er ließ den gepfiffenen Elfmeter nicht mehr ausführen, sondern schickte beide Mannschaften in die Kabinen und beriet sich mit seinem Team. Fünf Minuten später kam die Entscheidung: Die Partie werde nicht wieder angepfiffen und mit 3:0 für Schweden gewertet. Der Unparteiische kritisierte die Sicherheitsvorkehrungen, welche nicht verhindert hätten, „dass ein Geisteskranker bis zu mir vordringen konnte“. Wie das Spiel tatsächlich gewertet wird und ob es weitere Konsequenzen für Dänemark geben wird, muss die Uefa klären.

„Ich schäme mich, Däne zu sein“, schreibt Peter Brüchmann, Sportchef der Kopenhagener Tageszeitung B.T. in seinem Blog. Und auch sonst wird in den dänischen Medien die Entscheidung des Schiedsrichters, das Spiel abzubrechen, nicht kritisiert. Anders kurioserweise in Schweden, wo das Stockholmer Svenska Dagbladet die „übertriebene Reaktion“ Fandels für den eigentlichen Skandal des Spiels hält. Der Schiedsrichter habe „zu wenig Ballgefühl“ beweisen: Das Spiel durch Ausführen des Elfmeters entscheiden zu lassen, wäre sportlicher gewesen.

Der dänische Spielverderber wurde nach einer Nacht in Polizeiarrest am Sonntag auf freien Fuß gesetzt. Ihm droht eine Haftstrafe von bis zu drei Monaten. Laut Polizeiangaben hat er jegliche Schuld bestritten: Nach einem Konsum von 15 bis 18 Flaschen Bier in den sechs Stunden vor dem Spiel könne er sich an überhaupt nichts erinnern. „Am besten sollte er sich so bald nicht mehr in Dänemark blicken lassen“, kommentiert der B.T.-Sportreporter Morten Crone. Der 29-Jährige, dem Schweden jetzt vermutlich drei Punkte auf dem EM-Qualifikationskonto verdankt, wohnt nämlich – in Schweden.