Genweizen verdrängt alte Kartoffeln

Bundesamt für Verbraucherschutz hat Bedenken gegen Anbau von Genweizen – und genehmigt ihn trotzdem in Gatersleben. Nun ist dort eines der weltgrößten Archive für Pflanzensamen gefährdet. Vorschlag der Behörde: Genbank zieht einfach um

VON MORITZ SCHRÖDER

Ganz geheuer dürften Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) gentechnisch veränderte Pflanzen nicht sein. Ende vergangenen Jahres erteilten seine MitarbeiterInnen die Erlaubnis, im sachsen-anhaltischen Gatersleben Genweizen anzubauen. Doch gestern wurde öffentlich, dass das Schreiben eine brisanten Zusatz enthielt: Die Experten empfehlen, die nahe gelegene Samenbank zu verlegen, in der seit über 60 Jahren alte Kulturgewächse gehütet werden.

„Der Betreiber sollte erwägen, die Genbank an anderer Stelle fortzuführen“, sagte Jochen Heimberg, Sprecher des zuständigen Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) der taz.

Das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) betreibt in Gatersleben eine der weltweit größten Samenbanken für Kulturpflanzen – eine Art Archiv. Denn dort werden rund 150.000 Pflanzenarten angebaut. Darunter: Kartoffeln, Getreide und Gemüse. So soll dafür gesorgt werden, dass alte Sorten erhalten bleiben.

Doch seit Jahren macht das IPK auch Experimente mit erbgutveränderten Pflanzen. So erteilte das BVL Ende November 2006 auch die Genehmigung für genmanipulierten Weizen. Dieser soll einen besonders hohen Proteingehalt haben. Er wurde im November bereits ausgesät.

Die Zulassung der Behörde war auf vehementen Protest von Umweltverbänden gestoßen, weil die Forschungsfelder nur 500 Meter von den Anbauflächen der Genbank entfernt liegen. 30.000 BürgerInnen teilten die Sorge, dass die Weizenkörner von Mäusen auf die Nachbarfelder getragen werden – und die konventionellen Pflanzen verunreinigen könnten. Auch das BVL sieht diese Gefahr. „Wir haben dem IPK mit der Genehmigung nahe gelegt, die Freisetzung nicht gerade dort zu machen“, sagt BVL-Sprecher Heimberg.

Das Institut säte den Weizen trotzdem. Unverbindliche Empfehlung der Behörde: Dann weicht die Genbank. Die Risiken für die Kulturpflanzen seien zwar gering, „der Feldversuch sei der Öffentlichkeit aber schwer vermittelbar“, begründet Heimberg.

Die KritikerInnen der grünen Genforschung fühlen sich bestätigt: „Nach außen hin beteuert das Landwirtschaftsministerium zwar, durch die Genpflanzen bestehe keine Gefahr. In Wirklichkeit scheint man aber vom Gegenteil auszugehen“, sagt Tobias Leiber, Gentechnikreferent bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Der Naturschutzbund Nabu wirft Minister Seehofer ebenfalls eine widersprüchliche Politik vor.

Die Anweisung der Bundesbehörde kommen beim Leibniz-Institut nicht gut an. „Sie ist schwer nachvollziehbar“, sagte Winfriede Weschke, die das Genweizen-Projekt betreut. Sie möchte zwar nicht „hundertprozentig ausschließen“, dass es zu einer Kreuzung zwischen ihren Zöglingen und denen der Genbank kommt. „Eine Gefahr“ sieht sie dadurch aber „nicht“. Die Forscher hätten dem Genweizen nur Erbgutabschnitte aus Ackerbohne und Gerste eingebaut. Und diese seien längst Teil der menschlichen Nahrungskette.

Die Pflanzenarchivare in Gatersleben halten einen Umzug ihrer Samenbank „nicht für machbar“, sagt der Leiter Andreas Graner. Seine MitarbeiterInnen holten jährlich die Samen von rund 7.500 Pflanzensorten aus Kühlzellen, um sie auf den Feldern des Instituts nachzuziehen und so frische Samen zu gewinnen. Ein solcher Betrieb ließe sich nicht einfach verlegen. Graner ist aber bereit, die Arbeit der Samenbank mit den Geldgebern im Bundesforschungsministerium zu diskutieren.

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