Europäisches Abenteuer, Teil zwei

POP Ladi6, das ist die Sängerin Karoline Tamati, die von Neuseeland aus mit Mann und Kind nach Berlin flog, weil hier die Mieten niedriger und die europäischen Clubs näher sind. Gute Idee, wie jetzt ihr neues Album beweist

Der Vater Mitglied der Polynesian Panthers, der Sohn lernt Deutsch mit SpongeBob

VON THOMAS WINKLER

Plötzlich sprach SpongeBob so seltsam. So grob, so ungelenk, so fremd. Aber, gelb, viereckig und aus Schwamm, zwei Zähne, rote Krawatte, das war er, zweifellos. Philli hatte, auf der anderen Seite des Planeten, auf die ihn seine Eltern verschleppt hatten, einen alten Bekannten wieder getroffen. Was für ein Glück. Sechs Monate später, als Philli wieder heimfuhr, beherrschte er, dem SpongeBob sei Dank, die seltsame Sprache ganz gut.

Im Gegensatz zu ihrem siebenjährigen Sohn hat Karoline Tamati von Deutsch noch kaum eine Ahnung. Zu viel Auftritte, zu wenig Schwammkopf. Zurückgekommen sind sie trotzdem. Bereits zum zweiten Mal will die Familie den Sommer in Berlin verbringen: Philli, seine Mutter, unter dem Namen Ladi6 eine der bekanntesten Popsängerinnen Neuseelands, und sein Vater Brent „Parks“ Park, der für seine Frau die Musik schreibt und programmiert.

Diesmal haben sie sogar ihre Managerin und deren Ehemann mitgebracht, so gut verlief das Experiment im letzten Jahr. Die Zeit in der Alten Welt war ungemein produktiv: Dutzende Auftritte absolvierten Ladi6 und erspielten sich dabei einen guten Ruf in der europäischen Club-Szene. Bevor sie aus dem hiesigen Herbst in den neuseeländischen Sommer zurückflogen, nahmen sie sogar noch ein neues Album auf, bei dem Sepalot, der DJ der Münchner HipHop-Combo Blumentopf, kräftig mithalf.

Ihre voluminöse Stimme

„The Liberation of …“ ist nun, pünktlich zur Rückkunft in Berlin, erschienen. Die Songs darauf adaptieren so souverän die aktuellen Popstandards, dass sie wahrscheinlich tatsächlich zu groß geworden sind für das kleine Neuseeland. Das Amalgam aus altmodisch knisterndem Jazz, einlullendem Reggae und verführerischem Soul, das Parks produziert hat, wird gekrönt von Tamatis Stimme, die – so voluminös wie elegant – immer wieder an die von ihr seit Jugendzeiten verehrte Sade erinnert.

Dem Album gelingt allerdings problemlos auch der Spagat zum HipHop, den Tamati auf keinen Fall verleugnen wollte, denn dort liegen ihre Wurzeln. Aufgewachsen ist sie in Christchurch, ihre Mutter war feministische Aktivistin und ihr Vater Mitglied der Polynesian Panthers, einer an den Black Panthers orientierten Emanzipationsbewegung der neuseeländischen Ureinwohner. Ihre ersten Erfahrungen im Musikgeschäft sammelte sie als Mitglied von Sheelahroc, der ersten neuseeländischen HipHop-All-Girl-Band. Danach arbeitete sie „in einer Menge Scheißjobs“, aber auch als Gastsängerin für jede halbwegs bekannte neuseeländische Band.

Dass ihr Soloprojekt Ladi6 es mittlerweile zu einer gewissen Berühmtheit gebracht hat, dafür aber haben vor allem die nicht nur down under bekannten Fat Freddy’s Drop gesorgt, die Tamati immer wieder engagierten. „Ich bin kein Star zu Hause, aber ich bin bekannt“, erzählt sie, „in Neuseeland kann man allerdings nicht genug touren, um von der Musik zu leben.“ Deshalb entstand die Idee, den europäischen Markt zu erschließen. Berlin kürten Tamati und Park zur Homebase für das Experiment aus ursprünglich finanziellen Gründen. Doch nun, ein Jahr später, kann die 30-Jährige begeistert von Berliner Clubs, Kunstgalerien, dem öffentlichen Nahverkehr und vor allem familiären Fahrradausflügen erzählen.

Im vergangenen Sommer war Berlin für Ladi6 allerdings noch vor allem ein Ort, an dem es sich entschieden billiger lebte als in Neuseeland. Und von dem aus man sich schnell auf den Weg machen konnte. „Wir haben manchmal vier Shows pro Woche gespielt“, erinnert sich Tamati. Die vielen Konzerte sorgten dafür, dass Ladi6 nach sechs Monaten das europäische Abenteuer zwar mit einer schwarzen Null abschließen konnten, aber führten auch dazu, dass Tamati und Park niemals wirklich in Berlin ankamen.

Im Gegensatz zu Philli. „Egal, wo wir mit ihm hingingen“, lacht Tamati, „er war immer schon da gewesen.“ Die Babysitterinnen hatten den Sohn durch alle verfügbaren Museen geschleift, die Mutter es nur ein einziges Mal ins Berghain geschafft. „Wir hatten eigentlich kein Sozialleben, ich habe das Gefühl, Berlin verpasst zu haben im vergangenen Jahr.“ Das soll sich nun ändern: „Diesmal will ich möglichst viel Inspirationen von hier mitnehmen. Ich habe nicht den unbedingten Ehrgeiz, von Berlin aus eine internationale Karriere zu starten.“

Ob das gelingen würde, darf man auch getrost bezweifeln. Bei Easyjetsettern und Hostel-Horden mag die deutsche Hauptstadt ja der letzte Schrei sein. Auch gilt die Eigenschaft, aus Berlin zu kommen, hat Tamati festgestellt, als „total cool“. Aber wenn man ein internationaler Popstar werden will, sollte man wohl immer noch besser in London, New York oder Los Angeles stationiert sein. Das weiß auch Tamati: „Perspektivisch würden wir gerne in die USA gehen.“

Wenn es nach Plan geht

Diese Perspektive ist allerdings durchaus langfristig. Abhängig davon, wie der diesjährige Aufenthalt verläuft, plant Tamati bereits, auch den kommenden Sommer wieder in Berlin zu verbringen. Dann spricht sie, wenn alles nach Plan geht, womöglich ja so gut Deutsch wie ihr Sohn jetzt schon. Der soll nun eigentlich hier zur Schule gehen, aber noch befindet sich die Familie in einem für Neuseeländer weitgehend unverständlichen Papierkrieg mit den deutschen Behörden. Dieses Problem, ist zu befürchten, kann nicht einmal der allmächtige SpongeBob lösen.

■ Ladi6: „The Liberation of …“ (Eskapaden Musik/Soulfood); live am 29. 6. in der Columbiahalle