Geburtshilfe missglückt

Der NRW-Landesrechnungshof rügt die Verschwendung von Fördermitteln in der Biotech-Branche. Regierungskoalition sieht „Offenbarungseid“ für Rot-Grün – und will ihre Subventionspolitik ändern

VON KLAUS JANSEN

Bei der Förderung von Technologie-Unternehmen in Nordrhein-Westfalen ist offenbar deutlich mehr Geld versickert als bislang angenommen. „Zu häufig wurden Mittel nach dem Prinzip Hoffnung vergeben“, sagte die Präsidentin des Landesrechnungshofes, Ute Scholle. Es sei frustrierend zu sehen, wie häufig Landesgeld ohne vernünftige Kontrolle ausgegeben werde, sagte sie.

Mit einem im März veröffentlichten Sonderbericht hatte Scholle die Ermittlungen in der Affäre um das Gelsenkirchener Inkubator-Zentrum in Gang gesetzt, die mittlerweile zu mehreren Festnahmen geführt haben. Der gestern vorgestellte Jahresbericht der Rechnungsprüfer legt nun nahe, dass unter der früheren rot-grünen Landesregierung Fördermittel nahezu flächendeckend ohne wirksame Kontrolle vergeben worden sind. Allein 50 Millionen Euro sollen so in den Jahren 2001 bis 2005 für die Anschubfinanzierung von Biotechnologiefirmen zu viel ausgezahlt worden sein. „Das Land hat den effizienten Einsatz der Fördermittel nicht überwacht und gesteuert“, urteilen die Prüfer. „Teilweise überstiegen die Zuwendungen sogar die tatsächlichen Projektausgaben.“

In der Kritik steht auch der vom NRW-Wirtschaftsministerium ausgelobte „Zukunftswettbewerb Ruhrgebiet“, mit dem vom Jahr 2000 bis 2006 besonders innovative Technologieprojekte gefördert wurden. Nach Ansicht des Landesrechnungshofes waren die Ziele und die Bewertungskriterien des mit 102 Millionen Euro Landesgeld ausgestatteten Wettbewerbs unklar. Beteiligt an der Ausrichtung des Wettbewerbs war die Unternehmensberatung Zenit – bis zum Jahr 2001 Arbeitgeber der jetzigen SPD-Landesparteichefin Hannelore Kraft.

Die schwarz-gelbe Regierungskoalition sieht die Versäumnisse in der Förderpraxis allein bei ihren Vorgängern. Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Hüsken sprach von einer „unsäglichen, ja skandalösen Praxis“. Ein Sprecher von NRW-Innovationsminister Andreas Pinkwart (FDP) nannte den Bericht des Rechnungshofs einen „Offenbarungseid“ und warf Rot-Grün vor, „nach Postleitzahl“ gefördert zu haben. Der grüne Finanzpolitiker Rüdiger Sagel nannte die Erkenntnisse „wenig überraschend“, während der frühere SPD-Wirtschaftsminister Harald Schartau die Kritik als „unsachlich“ zurückwies. „Es ist zu einseitig, uns jetzt sofort als Schuldige auszumachen“, sagte er der taz.

Als erste Konsequenz aus den Förderskandalen will das NRW-Wissenschaftsministerium nun der Forderung des Rechnungshofes nachkommen, sämtliche Empfänger von Landessubventionen öffentlich zu machen. Zudem werde die Vergabe strenger von Wettbewerbskriterien abhängig gemacht, sagte ein Sprecher. Weitere Überraschungen sind aber möglich: Nach taz-Informationen treffen sich noch in dieser Woche Vertreter des Rechnungshofs mit der Bochumer Staatsanwaltschaft, die im FH-Skandal ermittelt.