„Schwarzer Block sichert die Demo“

Er ist Mitte 20 und studiert. Genaueres will er nicht sagen. Ebenso wenig seinen Namen.

taz: Warum haben Sie Steine geworfen?

Weil allein die Präsenz der Polizei als Repression wahrgenommen wird. Das geht wie ein Funke durch die Reihen und man wirft den ersten Stein, ziellos.

Und den zweiten?

Gezielt.

Was ist das für ein Gefühl?

Man fühlt sich nicht besser, eher enttäuscht.

Wovon?

Enttäuscht darüber, dass der freiheitlich demokratische Rechtsstaat keiner ist. Ich habe Angst vor Herrn Schäuble und frage mich: Steht er auf dem Boden der Verfassung? Das sind keine hohlen Phrasen nach dem dritten Bier. Aber die Polizei hat eine unsichtbare Linie überschritten. Der Schwarze Block ist dazu da, die Demo zu sichern.

Bitte?

Indem wir Ketten bilden und Präsenz zeigen. Wenn ich im Schwarzen Block demonstriere, will ich sicherstellen, dass die Polizei nicht eskalierend einschreitet.

Steine wirken deeskalierend?

Viele aus dem Block legen die rechtsstaatlichen Prinzipien sehr weit aus. Das ist schon ein Treppenwitz der Geschichte.

Wie ist die Stimmung im Schwarzen Block?

Man guckt sich an, sieht Sonnenbrillen und schwarze Kapuzen und erkennt, man gehört zusammen.

Woran?

Am Nichterkennen. Es ist ganz, ganz eigenartig, aber es gibt dieses verbindende Gefühl. Vielleicht sind die Reaktionen deshalb so heftig. Und man ist sich bewusst, dass jede Seite ihre Aufgaben erfüllt. Aber es fehlt das Vertrauen. Die Polizei weiß nicht, wenn die Autonomen was sagen, ob das stimmt, und wir wissen nicht, ob die Polizei ihre Zusagen einhält. Es gibt kein Gentlemen’s Agreement.

Hat es das jemals gegeben?

Da fehlen mir die historischen Vorkenntnisse. Aber eine Demo mit Schwarzem Block, bei der sich die Bullen zurückhalten und beide Seiten ihre Ziele verteidigen, das wäre cool. Wenn die Polizei keine Präsenz zeigt, sind wir auch friedlich. Sobald sie aber versucht zu stören, gibt es Stress. Das ist so, wie wenn man dem Affen Zucker gibt. Oder wie bei einem Bewerbungsgespräch: Entweder deine Gesprächspartner sitzen dir in lockerer Formation gegenüber oder in Reih und Glied, so dass du keinen Sonnenstrahl mehr siehst. Dann fehlt der Diskurs.

Eine Demo ist aber kein Bewerbungsgespräch.

Wenn wir sagen, wir sind friedlich und fragen: „Was seid ihr?“, denken wir, wir können die weiter zurückdrängen. Wenn es dann so Spielchen gibt, drehen die durch. Ich kann das verstehen. Wir Autonomen sind nicht dumm. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre 35 Jahre, hätte zwei Kinder, wäre mit 18 zur Polizei gegangen und würde nach 19 Stunden Dienst Vermummte sehen, dann würde ich auch durchdrehen. Die werden aufgeputscht und denken, wir wären demokratiefeindlich. Wir sind aber nicht wie Baader-Meinhof, die meinen, Bullen müssten erschossen werden. Vielleicht fehlt der Dialog auf beiden Seiten. (lacht)

Was heißt das für die nächsten Tage?

Heiligendamm ist noch mal eine ganz andere Stufe. Da wird es bei den Straßenblockaden schon zu Auseinandersetzungen kommen. Eben weil es keinen Dialog und kein Vertrauen gibt.

INTERVIEW: BARBARA BOLLWAHN