FUTTERLUKE REUTERKIEZ
: Samstags im Sudan

It’s so cold, it’s so cold in our flat, is the heater on?

Der junge Mann hinter der Theke ist vielsprachig. „Sandwich Makali? Come with grilled tofu and vegetables“ – „Si, hay fritz-kola“ – „Cinq euros fifty, danke.“ Der Neuköllner Imbiss mit Gastrofokus Sudan ist an diesem fortgeschrittenen Sonnabend Futterluke für Kiezbewohner und Touristen. Sie machen Selfies vor einem Dattelpalmenplakat oder fotografieren eine beige Pappkiste mit der Aufschrift „Luxus-Servietten, 33cm x 33cm – 1/4-Falz“. Zwei astreines Hinglish sprechende Youngsters sprechen über ihre akute Wohnsituation. „It’s so cold, it’s so cold in our flat, is the heater on?“, fröstelt der eine. „No, but sooner or later – yes“, stellt der andere lakonisch fest. Während er isst, wischt er jedes einzelne Stück Tofu mit einer Serviette ab, bevor es in den Mund kommt und anschließend sehr lange gekaut wird.

Der eine ist derweil schon fertig und flirtet mit seinen glänzenden Augen eine Ganzkörpertätowierte an. Die betrachtet ihn mit dem Blick eines hurtigen Eichhörnchens, das eine kurze Verschnaufpause auf dem Sprung von Ast zu Ast macht, dann tippt sie auf ihrem Telefon herum. Der Getränkekühlschrank röhrt vor sich hin, die Luft im Imbiss nimmt ab.

Ein Spanisch sprechender, graubärtiger Gartenzwerg mit Baumwollzipfelmütze sucht nach der passenden Grundierung für eine Leinwand; der lienzo sei widerspenstig, widersetze sich im Atelier seinen Zähmungsversuchen. Und im Übrigen sei ihm zum 1. Januar gekündigt worden, ob man was wisse, einen Arbeitsraum unter 500 Euro hier im Reuterkiez? Sein Gegenüber zieht die Augenbrauen hoch, es sieht aus wie eine versuchte Grimasse. Am Nebentisch hat sich eine vom zeitgenössischen Styling her alles richtig machende Frau niedergelassen. „Er ist witzig, der Ben“, textet sie in ein Headset hinein, „wenn er so ist, wie er ist, nicht er, also sozusagen situativ. Schon ein krasser Typ.“ HARRIET WOLFF