Der Ton wird schärfer

WUT I Fahren mit der S 1 war schön. Heute nervt’s

Es gab Zeiten, da schwärmten die Berliner von ihrer „Wannseebahn“. Die Vorortbahnstrecke vom Potsdamer Platz bis zum Bahnhof Wannsee rückte den Berliner Südwesten samt Potsdam seit den 30er Jahren nah und vor allem schnell ans Zentrum der Stadt heran. Umgekehrt war sie für alle, die, mit Badehose bepackt, „raus“wollten, der Superlift. Sie war ein Mythos, Romane und Filme spielten auf und entlang der Strecke. Seit 1985 firmiert sie unter der „Linie S 1“, womit das Problem benannt ist.

War die Fahrt mit der S 1 selbst zu Zeiten, als die hölzernen Bänke noch in Bootslack glänzten, Erholung, ist sie heute besonders zur Rushhour eher Anstrengung und Ärgernis. Der 10-Minuten-Takt gleicht Russischem Roulette, die Wagen sind überfüllt, die Fahrgäste stetig genervt von der Enge.

Steigt man auch noch mit Rad oder Kinderwagen zu und ist damit ein potenzieller Schmutzfink, wird man mit missgünstigen Blicken abgestraft – von Platzmachen gar nicht zu reden. Nicht selten wird es sogar laut.

Warum, fragt man sich, setzt die Bahn ausgerechnet zu den Stoßzeiten nur sechs statt acht Wagen aufs Gleis? Warum, fragt man sich auch, rumpeln zur Mittagszeit acht halb leere Wagen von Berlin-Wannsee nach Mitte? Warum, bitte, geht das nicht umgekehrt?!

Der Ton auf der S 1 ist schärfer geworden. Dabei macht die S-Bahn doch eigentlich ein so sympathisches Geräusch: Es tutet, Türen schnurren zu, leicht zieht der Zug an und rollt in einem behaglichen Tempo. Man möchte träumen. ROLF LAUTENSCHLÄGER