LESERINNENBRIEFE
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Wieder zum Opfer gemacht

■ betr.: „Der Marsch der Schlampen“, tazzwei vom 28. 6. 11

Es ist doch wirklich bedauerlich, dass Frauen auf eine solch entwürdigende Art auf das Schicksal von Opfern sexueller Übergriffe aufmerksam machen. Mich ärgert es zutiefst, dass der „Marsch der Schlampen“ als eine „feministische Straßenaktion“ im Rahmen einer „neuen Welle des Frauenprotests“ angesehen wird! Allen, die dieser Art des „Protests“ zustimmen, empfehle ich das Buch von Natasha Walter „Living Dolls – The Return of Sexism“ (auf Deutsch: „Warum junge Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen“), die genau dieses Phänomen des neuen „Feminismus“, sofern man das so nennen darf, kritisiert. Das Thema, wofür die Frauen auf die Straße gehen, ist zweifellos dessen würdig. Doch vergessen eben jene, dass sie sich auch hier wieder zum Opfer machen – eben als Living Dolls und nicht als gleichberechtigter Mensch, der „mehr“ ist als nur zwei Brüste und zwei Arschbacken! BETTINA VOLLMER, Reinheim

Wozu dient die Kampagne?

■ betr.: „Generalstreik in Griechenland“ u. a., taz vom 28. 6. 11

Das höchste Gebirge in Europa ist das Schuldengebirge, lese ich in der regionalen Sonntagszeitung. Von Pumpgenies, „den Bürgern“ sprich Steuerzahlern, die es zu zahlen haben, vom „Naturgesetz“, wonach der Sex der Geldscheine Schulden mache, und von den Griechen, die mit Betrug in die EU gelangt seien – darüber lesen wir. „Die Welt lebt im Schuldenrausch“, heißt es.

Am Schuldengebirge scheinen neben den Griechen, die angeblich in Saus und Braus leben, noch manche andere ordentlich zu verdienen. Neben dem Schuldengebirge sollte doch die Frage berechtigt sein, wie das Reichtumsgebirge zu erklären ist, der Gegensatz zwischen Arm und Superreich, in Griechenland und anderswo. Hat das etwa rein gar nichts miteinander zu tun? Und wer vom Sex der Geldscheine schreibt, der Schulden produziere, da ist zu vermuten, dass er schon vom mehrwertheckenden Wert gelesen hat, worüber bereits vor bald 200 Jahren ein großer Deutscher Kluges schrieb; übrigens auch schon über Schuldenberge und ihre Nutznießer. Es ist ein falsches Bild, von uns allen nur als Schuldenmacher, Steuerzahler, LebemännerFrauen und von „den Griechen“ als Betrüger zu reden. Die Spielregeln des heutigen Finanzkapitalismus sind damit keineswegs erklärt. Und weil das niemand so richtig erahnen soll, werden fleißig tagtäglich „die Griechen“ und die vielen anderen Faulen denunziert, die nur bei den Arbeitern, Angestellten und wirklich keineswegs Reichtum raffenden Bürgern und Steuerzahlern ausgemacht werden. Wozu dient also diese Kampagne? ROLAND WINKLER, Remseck

Eine Hilfskonstruktion

■ betr.: „Start mit Steinmeiers Niere“, taz vom 29. 6. 11

Schade, die Tatsache, dass es in der gegenwärtigen Diskussion der Zustimmungslösung bei Organspenden keineswegs um Steinmeiers Lebendspende geht, sondern ausschließlich um jene „nach dem Tode“, wurde überhaupt nicht dargestellt.

Berücksichtigen Sie bitte bei Ihrer Berichterstattung zum Thema Organspende die Tatsache, dass der Hirntod nicht den Tod des Menschen im Sinne unserer jahrtausendealten kulturellen Tradition darstellt, sondern lediglich eine Hilfskonstruktion zur Vermeidung juristischer Sanktionen zu Lasten der explantierenden Ärzte ist. „Explantation“ heißt immer Entnahme von schlagenden Herzen, pumpenden Lungen, spülenden Nieren, lebenden Organen, also die Verwertung von Organen Sterbender. Hier tut Aufklärung not, hat dies doch nicht nur Auswirkungen auf den Sterbenden selbst, sondern auch wesentlich auf jene Freunde und nahen Angehörigen, die den Sterbeprozess begleiten. ROLF ALTERAUGE, Neuwied