berliner szenen Turnhallen schrubben

Die Diät war schuld

Ich hasse Putzen. Es will mir einfach nicht einleuchten, warum ich Staub wegwischen soll, nur um wieder Platz für neuen zu schaffen. Da aber eine dreckige Wohnung angeblich auf ein verlottertes Innenleben hindeutet, versuchte ich, mir einen Anreiz zu verschaffen. Ich heuerte bei einer Reinigungsfirma an: guter Stundenlohn, schicker Kittel. Ich putzte die Turnhalle des Gymnasiums. Es beruhigte mich, den Wischer in gleichmäßigen Strichen über den Boden zu ziehen. Weil es nicht mein Boden war.

Letzten Mittwoch jedoch zog ich meinen Schrubber durch die Turnhalle, als mir plötzlich schlecht wurde. Mein Kreislauf sackte in den Keller. Ich hatte nicht nur einen neuen Job, sondern auch eine Diät begonnen. Lebensumwälzung nannte ich das. Mir wurde so schummrig, dass ich fast umfiel. Glücklicherweise fiel mir ein, dass in der Klasse 7e noch ein Teller mit Süßigkeiten stand. Jeder Schüler brachte zum Geburtstag so einen Teller mit. Ich schleppte mich in das Klassenzimmer und stopfte mir mehrere Schokoriegel in den Mund. Mit geregeltem Blutzuckerspiegel zog ich danach wieder meine Wischbahnen durch die Halle.

Am nächsten Abend wurde mir wieder übel, die Diät schien nicht ausgereift. Diesmal nahm ich Bonbons. Als ich am dritten Abend wieder in die Klasse stürzte, stand statt des Tellers ein riesiges Schild auf dem Tisch. „Die Putzfrau, die immer unseren Geburtstagsteller leerfrisst, möge sich bitte beim Rektor melden“.

Augenblicklich wurde mir noch schlechter. Erwischt. Beim Rektor melden. Das alte Schulzeit-Trauma. Ich rief meinen Mann an und ließ mich abholen. Er hatte Schokoriegel dabei. Seitdem putze ich bei mir. Und den Lohn zahle ich mir selbst: in Schokolade. SANDRA NIERMEYER