Szenenah und auf Augenhöhe

MUSIKWIRTSCHAFT Zum achten Mal diskutiert die Konferenz „Operation Ton“ in Hamburg popmusikalische Zukunftsfragen

„Operation Ton“ kann man nicht nur als gemeinsame Kraftanstrengung, sondern auch im medizinischen Sinne verstehen: Denn der Zustand des Patienten, der am nächsten Wochenende in Hamburg auf dem Operationstisch liegt, gibt seit Jahren Anlass zur Sorge: das kränkelnde Popbusiness respektive all die an ihm und in ihm Leidenden.

Tatsächlich geht es zwei Tage lang vor allem um konkrete Überlebensfragen: Wie profitiere ich von der Gesellschaft für die Verwertung von Leistungsschutzrechten? Wie organisiere ich selbstständig meine Konzerte? Wie schreibe ich überhaupt einen Song, wie arrangiere und produziere ich ihn? Und wie knüpfe ich Netzwerke und vermarkte mich in sozialen Medien?

Zum achten Mal richtet sich die zweitägige Konferenz an MusikerInnen, ManagerInnen, ProduzentInnen oder BookerInnen aus dem ganzen Land und will mit Vorträgen und Diskussionen, mit Performances und Präsentationen informieren, inspirieren und irritieren. Vor allem geht es dabei um Musikschaffende, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen wollen, um eine Plattform zum Austausch und zur Vernetzung.

Keine Firmen sollen hier ihre Erfolgsrezepte verkaufen, stattdessen greift sich die Szene selbst unter die Arme und gibt handfeste Tipps zum kreativen Überleben in unsicheren Zeiten. Aber auch PolitikerInnen und BehördenmitarbeiterInnen könnten hier eine Menge lernen, sagt Andrea Rothaug, die die Konferenz als Geschäftsführerin des Vereins Rockcity organisiert. Seit 1987 kümmert sich Rockcity als „Zentralorgan Hamburger Musikschaffender“ um die Beratung von MusikerInnen, Verlagen, Labels und Clubs, vermittelt Proberäume oder Tourbusse, organisiert Gigs oder internationale Austauschprogramme.

Geballte Kompetenz bietet „Operation Ton“ auf: Wie man ohne Rückendeckung durch große etablierte Plattenfirmen und Managements eine internationale Tour organisiert, erfährt man da etwa von der Berliner DIY-Ikone Mary Ocher. Wie man als MusikjournalistIn erfolgreich sein kann, lernt man von Linus Volkmann, laut Musiker Bernd Begemann der „Indierock-Thomas-Bernhard“.

Wissenswertes zum Thema Sponsoring und Markenführung steuert Berthold Seliger bei: Seit 25 Jahren betreibt der 54-Jährige seine Konzertagentur, verfasst monatlich einen preisgekrönten Newsletter zu musik- und kulturpolitischen Themen und hat im letzten Jahr mit seinem Buch „Das Geschäft mit der Musik“ nicht nur einen umfassenden Insiderbericht, sondern auch ein leidenschaftliches Plädoyer für eine andere Kulturpolitik jenseits von Großkonzernen und „Staatspop“ veröffentlicht.

Einen Schwerpunkt legt die „Operation Ton“ dabei diesmal unter dem Motto „Occupy“ auf die Frage nach Räumen. Dabei geht es nicht nur um überall fehlende Proberäume, sondern auch um Räume als Orte zur Produktion von Ideen, Beziehungen, Netzwerken und Trends sowie um die Nutzung öffentlicher Räume für Musik und Kunst. Denn nicht nur Bars und Clubs, in denen MusikerInnen Möglichkeiten zum Auftreten finden, werden vor dem Hintergrund knapper werdender urbaner Räume immer häufiger an den Rand gedrängt.

Über die „Stadt als musikalische Fabrik“ diskutieren auf einem Panel unter anderem Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard, der Künstler und Recht-auf-Stadt-Aktivist Christoph Schäfer sowie Georg Heber vom Augsburger Projekt „Grandhotel Cosmopolis“, in dem Künstler gemeinsam mit Flüchtlingen und Touristen leben.

Dass der Spaß dabei nicht zu kurz kommt, ist Rothaug und ihrem Team wichtig: Nicht nur professionell, sondern auch sympathisch und persönlich soll es auf der Konferenz zugehen. Szenenah, auf Augenhöhe und für alle bezahlbar soll der Austausch sein. Erstmals zieht man deshalb vom Kunstraum Westwerk ins Kulturhaus III&70 im Schanzenviertel, in einen „von Musikern besonders hoch frequentierten Bereich“ also.

Abgerundet wird die Konferenz deshalb auch an beiden Tagen mit einem kleinen Festival. Linus Volkmann liest dann etwa aus seiner aktuellen Geschichtensammlung „Lies die Biber“ und Musiker und Poetry-Slammer Andy Strauß lädt zu „Text und Techno“. Nebenan ist derweil Raum für „Zeckenrap“: „irgendwie linker“ Hip-Hop ohne „dicke Eier“ also, vertreten durch die Hamburger Musiker Captain Gips und Trouble Orchestra sowie den Berliner Kobito. ROBERT MATTHIES

■ Fr, 7. 11. und Sa, 8. 11., Kulturhaus III&70 und Kleiner Donner, Schulterblatt 73; Infos, Programm und Tickets: www.operationton.de