Schulverweis für Sex-Buch

AUFKLÄRUNG Der bundesweit diskutierte Band „Sexualpädagogik der Vielfalt“ kommt von der Literaturliste für Lehrer. Einiges darin sei „nicht für den Schulunterricht geeignet“, erklärt die Bildungsbehörde

Die von Baden-Württemberg ausgelöste Debatte um sexuelle Vielfalt im Aufklärungsunterricht schwappte am Freitag auch kurz auf Hamburg über. Den Anstoß gab die CDU-Abgeordnete Karin Prien, die das umstrittene Handbuch „Sexualpädagogik der Vielfalt“, herausgegeben von Wissenschaftlern der Universität Kassel, auf der Literaturliste des Landesinstituts für Lehrerbildung (LI) entdeckt hatte.

Durch das Buch würden Hamburger Schüler „früh unangemessen sexualisiert“, findet Prien, selbst Mutter von drei Söhnen. „Ich bin alles andere als prüde“, sagt sie zur taz. „Für mich gibt es nicht nur das traditionelle Vater/Mutter/Kind-Familienbild.“ Doch Anleitungen zu sexuellen Praktiken, wie sie sich in dem Buch fänden, hätten „in der Schule nichts zu suchen“.

Prien stützt sich auf einen Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom April, einem Verriss unter der Überschrift „Was Sie noch nie über Sex wissen wollten“: Demnach sollen 15-jährige Schulkinder, die mit dem Buch arbeiten, in einer Übung einen „Puff für alle“ entwerfen. 14-Jährige hätten in einer virtuellen Auktion Gegenstände für die Mieter eines Hauses zu ersteigern – darunter Potenzmittel und Sexspielzeuge. An anderer Stelle sollten sich die Jugendlichen zwischen einer „Taschenmuschi“, einem „Herren-Tanga“ und einer Lederpeitsche entscheiden und anschließend festlegen, worauf sie in sexueller Hinsicht auf keinen Fall verzichten können. Eine weitere Übung verlange 13-Jährigen ab, über ihr „erstes Mal“ vorzutragen – als Gedicht, Bild, Sketch oder Theaterstück. Welches erste Mal? Zur Wahl stünden neben Kondom überziehen oder Tampon einführen auch – Analverkehr.

Am 21. Oktober stellte Prien eine Anfrage an den Senat: Wie er das Buch bewerte und warum das Lehrerbildungsinstitut es als „Grundlagenliteratur“ für den Sexualkundeunterricht empfehle. An jenem Tag, erinnert sich die Abgeordnete, „stand die Liste noch im Netz“. Die Schulbehörde reagierte: Sie zog die Liste mit Literaturempfehlungen zurück. Man sei im Zuge der Debatte ohnehin dabei, sie zu überarbeiten, heißt es in der Antwort des Senats. Die beschriebenen Methoden seien nicht geeignet, um sie „unreflektiert“ und losgelöst von den Voraussetzungen in der jeweiligen Lerngruppe einzusetzen.

Am Freitag wurde Schulbehörden-Sprecher Peter Albrecht deutlicher: Einige Methoden in dem Buch seien „nicht für den Schulunterricht geeignet“. Es werde geprüft, ob sie den Vorgaben zur schulischen Sexualerziehung entsprechen, so Albrecht. Dabei sei „der altersgerechte Einsatz der Methoden“ zentral. Das Buch sei ja nicht im Unterricht eingesetzt worden, sagt Albrecht zur taz. Die Literaturliste diene einzig Lehrern zur Orientierung – „Schüler kriegen das nicht zu sehen“.

Prien reicht das nicht: Per Antrag in der Bürgerschaft will sie sichergestellt sehen, „dass dieser Ansatz in Hamburg nicht Grundlage des Sexualkundeunterrichts ist“. Die Grünen-Abgeordnete Stefanie von Berg ist in der Sache unentschieden: „Ich habe mir das Buch angeguckt und auch mit einer Entwicklungspsychologin gesprochen“, sagt von Berg. Sie fände es falsch, das ganze Buch zu verdammen. „Viele Jugendliche gucken Pornos und bekommen dadurch eine ganz komische Vorstellung von Sex – da ist es besser, das im Unterricht zu behandeln.“ Allerdings sei das Gespräch etwa über Sado-Masochismus „nicht in jeder Lerngruppe angebracht“.  KAIJA KUTTER