Das Ding, das kommt
: Hickhack um Gehörnte

DAS BEIL spaltete Holz für ein nachgebautes Wikingerschiff. Auch der Schleswiger Stadtrat ist gespalten: Ob die Wikinger fürs Stadtmarketing taugen

Die Stadt an der Schlei wirbt mit der Strahlkraft der Wikinger

Heute würde man wohl statt eines Beils eine Säge nehmen. Aber die Wikinger hatten ihre liebe Müh mit dem eisernen Holztrennwerkzeug. Zwar lässt sich das Blatt wie eine Messer- oder Schwertklinge schmieden. Aber die Zähne! Jeder einzelne muss gefeilt werden, und wenn die ersten am harten Eichenholz brechen, ist das Werkzeug nutzlos. Jedenfalls haben die Bootsbauer der Nordmannen ihre Sägen kaum benutzt: An Holzstämmen und Planken finden Archäologen kaum Zähnchen-Spuren.

Kai Zausch kann das heute gut nachvollziehen. Auch er hat in den vergangenen sieben Monaten am liebsten ein Beil für den Bau seines Wikingerschiffes benutzt. Sein offenes Boot ist keine Kopie eines Originals, sondern wurde auf Grundlage historischer Proportionen entworfen. Am Sonntag findet im Museumsdorf Haithabu der Stapellauf statt: die erste Bootstaufe an diesem Ort seit 990 Jahren.

3.000 Arbeitsstunden haben der gelernte Bootsbauer Zausch und zwei Helfer in das Schiff gesteckt, die Kosten haben Sponsoren getragen. Gearbeitet wurde auf dem Gelände des Freilichtmuseums unter den Augen der Besucher. Und gewohnt hat Zausch auch wie die Wikinger: in einem der Häuser des Museumsdorfs, mit allen Tücken des Alleinlebens: „Wenn ich den ganzen Tag arbeite, kann ich nicht drinnen den Herd in Gang halten. Und abends bin ich meist zu K.O., um noch Feuer zu machen“, sagt er. Immerhin „habe ich als Jagdrevier den Supermarkt im Dorf“ – so gut hatten es die Altvorderen nicht.

Zwar liegt das Museum im Örtchen Busdorf, aber mit der Strahlkraft der Wikinger wirbt auch die Stadt Schleswig auf der anderen Schleiseite gern. Doch ob sie es künftig tatsächlich unter dem Slogan „Wikingerstadt Schleswig – Kultur und Natur am Ostseefjord“ tun wird, darüber gibt es derzeit im Stadtrat ein leidenschaftliches Hickhack – auch wenn man nicht mit dem Beil aufeinander losgeht. „Die freundliche Kulturstadt“ jedenfalls, darin sind sich alle einig, hat seit der Misere um das einsturzgefährdete Stadttheater ausgedient. Vor allem die SPD aber hat Probleme mit dem Erbe der kriegerischen Seefahrer – die ihre schnellen Boote ja nicht nur zum Sightseeing nutzten.

Eben da könnte das neue Schiff also tatsächlich helfen: Künftig soll es ganz friedlich als Botschafter Haithabus auf Fahrt gehen. Sein Revier sind der Ostseearm Schlei, die angrenzenden Flüsse und die Ostsee – ganz wie zu Zeiten der Wikinger.  EST

■ Stapellauf des Wikingerbootes: So, 2. 11., 11 Uhr, Wikingerhäuser beim Museum Haithabu