Anja Stahmann, Bremens neue Sozialsenatorin
: Die Volkspartei-Pionierin

■ 44, Theaterpädagogin, -therapeutin und ehemalige Bildungsreferentin der Naturfreundejugend. Nun Sozialsenatorin.  Foto: Bleyl

Sie ist die strahlende Siegerin der gestrigen Bremer Senatswahl: Mit 63 Stimmen wurde Anja Stahmann zur Sozialsenatorin gewählt – da die rot-grüne Koalition nur über 57 Abgeordnete verfügt, ist die Größe des Geburtstagsgeschenks leicht auszurechnen. Ihren 44. Geburtstag feierte die grüne Politikerin nämlich gestern auch noch.

Stahmanns bemerkenswertes Standing im Parlament lässt sich auch mit einem Lob des Oppositionsführers illustrieren: Er habe die langjährige Abgeordnete als „immer an der Sache orientiert“ erlebt, sagt der CDU-Chef – dessen Job es ist, der Regierung kräftig Contra zu geben. Fast noch bemerkenswerter ist, dass mutmaßlich sämtliche SozialdemokratInnen Stahmann wählten. Dabei sorgte die Abgabe des SPD-Kernressorts an die Grünen für heftige Bauchschmerzen. Dass die SPD-Stimmen für Stahmann nicht bloßer Fraktionsdisziplin geschuldet sind, zeigen im Übrigen die Wahlergebnisse ihrer SenatskollegInnen: Außer ihr bekam nur der Bürgermeister die vollen Stimmen der Koalition.

Stahmann ist nun die dritte grüne und die zweite aus Bremerhaven stammende Senatorin in der Bremer Landesregierung – beides sind wichtige Faktoren der Machtarithmetik im Zwei-Städte-Staat. Vor allem aber ist sie die erste grüne Sozialministerin überhaupt, womit ihr eine geradezu historische Rolle zufällt: An ihr ist es nun zu beweisen, dass die Grünen das Zeug zu etwas Volksparteiähnlichem besitzen.

Der Blick fürs Ganze statt primär auf die eigene Klientel ist der kämpferischen Frau durchaus zuzutrauen: Sie gehört zu der Sorte Grüne, die hart in der Sache sein können, auch wenn es um Bereiche geht, die ihnen inhaltlich nahestehen: Als medienpolitische Sprecherin ihrer Partei scheute sie nicht scharfe Kritik am Haushaltsgebaren des damaligen Offenen Kanals. Zudem ist der Diplom-Sozialwirtin eine Bodenständigkeit eigen, die man an der Weser sonst eher den Sozis zutraut. Stahmanns sachlich sehr fundierte Debatten-Beiträge etwa in der Bildungsdeputation sind keine, in denen der sprachliche Schliff eine ausschlaggebende Rolle spielt. Auch diese eher hemdsärmelige Attitüde trägt zu ihrer fraktionsübergreifenden Beliebtheit bei.HENNING BLEYL