Verbale Aufrüstung

Der Polizeieinsatz beim Asem-Gipfel an Pfingsten und das Demonstrationsrecht: Bürgerschaft debattiert lautstark über die Rechte von Bürgern und Polizei. Manche fanden’s unterirdisch

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Bisweilen zeichnet Hamburgs parteilosen Innensenator Udo Nagel ein unfreiwilliger Humor aus. Diese „verbale Aufrüstung ist doch unnötig“, befand Nagel, nachdem RednerInnen von CDU, SPD und GAL sich in der Bürgerschaft einen heftigen Meinungswechsel über die Demonstration gegen den Asem-Gipfel am Pfingstmontag geliefert hatten. Anschließend hieb er gestern Nachmittag selbst mächtig auf die Opposition ein.

SPD und Grüne hätten „ein zwiespältiges Verhältnis zur Inneren Sicherheit“, behauptete Nagel. Sämtliche Kritik „am erfolgreichen Einsatz der Polizei“ sei unberechtigt. Die bis zu „1.200 militanten Antidemokraten im Schwarzen Block“ hätten kein Interesse am Austausch von Argumenten gehabt, sondern nur an Gewalt.

Das habe sich gezeigt bei den Auseinandersetzungen zwischen Autonomen und Polizei am Abend „in Ihrer geliebten Schanze“, wie CDU-Innenpolitiker Karl-Heinz Warnholz in Richtung Grüne höhnte. Er schloss die Unterstellung an, ob nach Ansicht der GAL „wir wohl den Krawallmachern die Straßen überlassen sollten?“.

Damit war ein Debattenniveau erreicht, dass RednerInnen von SPD und GAL „unangemessen“ oder gar „unterirdisch“ fanden. Dieses „parteipolitisch motivierte Ereifern der CDU“, schalt SPD-Innenpolitiker Andres Dressel, werde der Kernfrage nicht gerecht, zwischen „friedlichen Demonstranten und Gewalttätern zu unterscheiden“.

Der polizeiliche Wanderkessel bei der Demonstration gegen den Asem-Gipfel „mit einem Betreuungsverhältnis von 1:1“ erwecke den Eindruck, „dass Menschen kriminalisiert werden, die ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausüben“. Für Senat, CDU und Polizei sei das Demonstrationsrecht „ein hinzunehmendes Übel“ und „Verfassungsfolklore von nervigen außerparlamentarischen Minderheiten“, schimpfte Dressel.

Fast ungehört in der zum Teil phonstarken einstündigen Debatte verhallten die abgewogenen Worte der grünen Innenpolitikerin Antje Möller. „Niemand hier heißt Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung gut“, beschwichtigte sei. Sie vermisse aber „den wirksamen deeskalierenden Ansatz“ von Polizei und Innenbehörde. Als Vorbild bemühte sie Diskussionen und Runde Tische der 90er Jahre über das Phänomen der Hooligans in deutschen Fußballstadien. Was damals weitgehend erfolgreich gewesen sei, müsse doch auch jetzt möglich sein, „wenn es denn auch von staatlicher Seite gewollt“ ist.

Ist es aber wohl nur bedingt, wenn man CDU-Rechtspolitiker Kai Voet van Vormizeele ernst nehmen darf. Er vertrat die Auffassung, „dass die Polizei die friedliche Demonstration überhaupt erst ermöglicht“ habe.

Ihm scheine in mehreren Punkten „die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht gewahrt“, erklärte hingegen der stellvertretende SPD-Fraktionschef Martin Schäfer mit Blick auf die polizeilichen Briefkontrollen im Postamt Kaltenkircher Platz. Tausende von Briefen auf der Suche nach einem möglichen Bekennerschreiben unter die Lupe zu nehmen, sei „mindestens an der Grenze der Rechtmäßigkeit“.

Für den grünen Rechtspolitiker Till Steffen war diese vor zwei Wochen von der taz nord aufgedeckte Schnüffelaktion „ein gravierender Eingriff in Grundrechte, der nicht hinzunehmen ist“ – was ihm von CDU-Rechtspolitiker Manfred Jäger die Bewertung „Frechheit“ einbrachte. Spätestens jetzt sei klar, sagte Jäger, „dass die CDU die einzige Partei ist, die ohne Wenn und Aber hinter der Polizei steht“. Was auch immer diese tut.