DER KOMMENTAR

Ein Staatsanwalt bedient Feindbilder

Beschleunigte Verfahren sind durchaus sinnvoll. Sie finden zeitnah zu Verbrechen statt, die Strafe folgt der Tat auf den Fuß. Den acht jungen Frauen und Männern, die gestern im Einstundentakt zu Gefängnisstrafen ohne Bewährung verurteilt wurden, stand der Schrecken sichtbar ins Gesicht geschrieben. Vier Tage, nachdem sie Steine und Flaschen auf Beamte geworfen hatten, wurden sie nun zur Verantwortung gezogen.

Am Samstag waren ihre Gesichter nicht zu sehen gewesen. Sie hatten sie unter Kapuzen, hinter Sonnenbrillen und Tüchern versteckt. Das Fehlen der Vermummung gab jetzt den Blick frei auf viele offene, sympathische Gesichter von Menschen, die Abitur haben und studieren wollen oder das bereits tun. Philosophie und Religionswissenschaften etwa. Dem klassischen Bild des Chaoten entspricht das nicht. Vorbestraft sind die wenigsten von ihnen. Ihre Gesichter und Biografien gewähren interessante Einblicke, wer da als „Schwarzer Block“ unterwegs ist.

Ob Abitur oder nicht, vorbestraft oder nicht, wer Steine wirft, noch dazu vermummt und aus der anonymen Masse heraus, muss bestraft werden. Punkt, Komma, aus. Zu kritisieren ist einzig die Verhandlungsführung, speziell der Staatsanwalt: Anstatt einfach seine Arbeit zu machen und Plädoyers zu halten, spielte er sich auf unerträgliche Art auf. Mit seinem arroganten, selbstgefälligen Auftreten verlagerte er die Anspannung vom Samstag direkt in den Sitzungssaal. Alle Welt spricht von Deeskalation und hofft darauf, dass die restlichen Tage des Gipfels nicht von Bildern der Gewalt geprägt werden. Wenn aber ein Staatsanwalt seinen Mund wie ein Maschinengewehr einsetzt und Wörter wie Salven abfeuert, bedient er billige Feindbilder. Mehr nicht. Der Ton macht die Musik, der Wahrheitsfindung tut er damit keinen Gefallen. BARBARA BOLLWAHN