Krankenhausstreik im Land der Aidskrise

Südafrikas Gesundheitsdienst ist im Ausstand, niedrige Löhne und Aids belasten Ärzte und Pfleger. Jetzt versorgen Militärs die Patienten. Der Arbeitskampf überschattet die Aidskonferenz des Landes, die über verbesserte Krankenversorgung berät

AUS JOHANNESBURG MARTINA SCHWIKOWSKI

Im Krankenhaus King Edward VIII. in Durban herrscht Leere: Die meisten der 922 Betten des zweitgrößten Krankenhauses Südafrikas sind nicht belegt – die Patienten wurden abgewiesen. Seit Freitag letzter Woche streikt Südafrikas öffentlicher Dienst, und das hat die ärztliche Versorgung in vielen Teilen des Landes lahmgelegt. Die Streikenden fordern 12 Prozent mehr Lohn, die Regierung hat 6,5 Prozent geboten. Statt der Krankenschwestern in blauen Uniformen füttert jetzt Militärpersonal in Khakihemden die Patienten.

Nur noch 100 Patienten sind im King Edward VIII. geblieben. „Die Ärzte stehen bereit, wir rufen sie an, wenn sie benötigt werden“, sagt Krankenhaussprecher Siyabonga Cele. Aber das Krankenhaus muss mit nur 20 Prozent des normalen Personalstands auskommen. Sogar Leichenhallen bleiben geschlossen. Familienangehörige helfen aus beim Putzen, die Intensivstation ist zu, seit das Personal dort von Streikenden bedroht wurde. „Nicht versorgt werden auch hunderte von Aidskranken, die gebucht waren, um ihre Blutkontrollen zu machen oder behandelt zu werden“, so Cele. 18 kranke Säuglinge wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht, sagt Neil Noble, Notdienstler im Einsatz. „Aber die haben selbst genug zu tun.“ Die Rettungswagen fahren Umwege, um andere Krankenhäuser zu finden, die Patienten ohne Versicherung annehmen – die Mehrheit in Südafrika kann sich das nicht leisten.

Im Baragwanath-Hospital in Soweto, dem größten Krankenhaus Afrikas in dem riesigen Township nahe Johannesburg, zogen gestern rund 250 streikende Schwestern über die Flure. Die Aufnahmestation für die vielen Stich- und Schussverletzungen ist unterbesetzt. Das Gesundheitsministerium ist dabei, festzustellen, wie viele Menschen durch den Streik wegen Nichtbehandlung gestorben sind.

Nach einem Eilantrag des Ministeriums hat das Gericht den Streik der Schwestern im Notdienst jetzt untersagt. Die Regierung droht, diejenigen zu feuern, die trotzdem streiken. Das kann sich Südafrika eigentlich nicht leisten, schon gar nicht bei der Aidskrise im Land, das die größte Zahl von HIV-Infizierten auf der Welt aufweist. Südafrikas Aidskrise wird gerade von rund 4.000 Delegierten in Durban seit Dienstag auf der dritten südafrikanischen Aidskonferenz debattiert. Sie beschäftigt sich mit dem neu festgelegten nationalen Aidsplan. Der Plan soll helfen, in den nächsten fünf Jahren die Zahl der Neuansteckungen zu halbieren und 80 Prozent der mit dem tödlichen Virus Lebenden mit Medizin zu versorgen. Mehr als 5 der 46 Millionen Südafrikaner sind HIV-infiziert.

Der Streik unterstreicht da die Probleme genau zum richtigen Zeitpunkt. „Das größte Hindernis, das Anti-Aids-Programm konsequent umzusetzen, ist die Personalkrise in öffentlichen Krankenhäusern“, sagt Nethen Geffen, Sprecher der Treatment Action Campaign, der größten Anti-Aids-Lobbygruppe im Land. Durch die Aidsepidemie hat sich nicht nur der Arbeitsaufwand für Krankenschwestern und Ärzte dramatisch erhöht, sondern laut einer Umfrage des Human Science and Research Council in Pretoria gibt es eine hohe HIV-Ansteckungsrate unter dem Gesundheitspersonal. Gut ausgestattet ist in Südafrika nur die private Gesundheitsversorgung, die aber nur 20 Prozent der Bevölkerung abdeckt. Hinzu kommt: Rund 23.000 Angestellte aus dem südafrikanischen Gesundheitssektor arbeiten in Großbritannien, Australien, Kanada, Neuseeland und den USA, wo sie mehr verdienen können.

So gehört es zum Alltag in öffentlichen Kliniken, dass Schwerkranke für ein Gespräch mit der Schwester stundenlang warten. Andere liegen sterbend mit Infektionen durch Aids auf baufälligen Fluren. „Das Angebot der Regierung von 6 Prozent mehr Lohn reicht nicht, denn es liegt noch unter der Inflationsrate; Essen und Transport sind hohe Ausgaben für Arbeiter“, meint der Aidsaktivist Geffen. Die Regierung habe genug Geld. „Für das Gesundheitspersonal muss es besondere Anreize geben, wieder ins System zurückzukehren. Allerdings ist es nicht akzeptabel, dass lebensrettende Dienste während des Streiks nicht geleistet werden.“