Klimakrieg um Energie

Ein aktuelles Klimaszenario zeigt: Wird nicht bald global gehandelt, wird aus der Krise ein Krieg Arm gegen Reich

AUS BERLIN CHRISTINE ZEINER

Die Umweltexperten der Bundesregierung schlagen Alarm: Der Klimawandel wird zum weltweiten Sicherheitsrisiko. Deshalb müsse eine Weltkonferenz „auf höchster Ebene“ sich des Themas annehmen, um Kriegen, Krisen und Flüchtlingsströmen vorzubeugen, fordert der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderung (WBGU). Vorbild für ein solches Gremium könnte die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) 1973 in Helsinki sein. Die KSZE – heute OSZE – sollte im Kalten Krieg Ost- und Westeuropa einander näher bringen, auch unter Einbeziehung der USA und Kanada.

Die neue Herausforderung der Menschheit steht dem in nichts nach, sind sich die Wissenschaftler sicher: „Der Klimawandel kann durchaus als kollektive Bedrohung der Menschheit verstanden werden“, dem nur durch eine gemeinsame Kraftanstrengung der Staatengemeinschaft begegnet werden könne, schreiben die Autoren. Industrie- und Schwellenländer müssten mittelfristig handeln, andernfalls würden sich in vielen Staaten die wirtschaftlichen und politischen Probleme verschärfen.

Auch global gesehen würde die Weltwirtschaft einen ungebremsten Klimawandel erheblich zu spüren bekommen. Auch die Vereinigten Staaten, die noch immer verbindliche Regelungen zur Senkung von Treibhausgasen blockieren, wären betroffen.

Auf über 200 Seiten listen die Experten auf, wo die Erderwärmung für Konflikte sorgen wird. Einer der Hot Spots ist die Golfküste der USA und Mexikos. Dort bieten nur Sandbänke, Inseln und Feuchtgebiete Schutz vor Flutwellen. Gingen sie durch die Erderwärmung und den Anstieg des Meeresspiegels verloren, würden sich Zahl und Stärke von Wirbelstürmen erhöhen. Wie Hurrikans die USA treffen können, zeigten die Stürme „Katrina“ und „Rita“ vor zwei Jahren: 1.800 Menschen starben, die Überlebenden waren ohne Strom, viele Raffinerien wurden zerstört. Der Ölpreis stieg auf Rekordhöhe.

Der WBGU rechnet damit, dass schon in wenigen Jahren Wirbelstürme der höchsten Kategorien vier und fünf zunehmen werden. Ab 2020 könnte es in der Region jährlich zwei Dutzend schwerster Hurrikane geben, zusätzlich bis zu vier Wirbelstürme im Atlantik. Miami würde so stark zerstört, dass die meisten Bewohner abwandern würden, nur die Armen blieben zurück. Reichere hingegen zögen sich in Schutzsiedlungen zurück, die auf künstlich angelegten Plateaus in Küstennähe errichtet und mit guter Infrastruktur ausgestattet wären. Verschärft würde der soziale Konflikt durch Umweltflüchtlinge aus Lateinamerika. Andere Staaten könnten die angespannte Lage nutzen und Öllieferungen an die USA verzögern, was wiederum dort den Ruf nach militärischem Eingreifen lauter werden ließe.

Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) erklärte bei der Präsentation des Berichts: „Wir werden den Menschen in den Entwicklungsländern beistehen und dürfen nicht warten, bis es 200 Millionen Umweltflüchtlinge gibt.“ Und: „Wir werden mit allem Nachdruck Klimaschutzmaßnahmen voranbringen.“ Schon jetzt fördere Deutschland Energieprojekte in 45 Ländern im Umfang von 1,6 Milliarden Euro, sagte Wieczorek-Zeul. Erneuerbare Energien seien der „Schlüssel für eine zukunftssichere Entwicklung“.

Von einer „Vorreiterrolle“, die Deutschland beim internationalen Klimaschutz auch weiterhin übernehmen wolle, sprach Michael Müller, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Diese fordert auch der Beirat in seinem Bericht ein: Schließlich sei die EU weltweit der wichtigste Akteur, dem es um Gleichberechtigung der Staaten gehe. Der Ball liegt demnach bei der EU – und bei Deutschland: Die Vorreiterrolle müsse „glaubwürdig“ gespielt werden, hieß es gestern in Berlin.