BERLINER PLATTEN
: Endlich kein Geheimnis mehr: Während Reinhard Mey ganz unverblümt das Glück auf Erden gibt, hat es das Duo Laub lieber in Teile zerlegt

Leisetreterei kann die unterschiedlichsten Formen annehmen. Harmlos oder hintergründig, glatt gebügelt oder mit Widerhaken, retrospektiv oder vorwärts gewandt. Kurz: Man kann Reinhard Mey hören oder Laub.

Reinhard Mey ist ein ganz Lieber, Abgründe kennt er nicht, auch nicht auf seinem 24. Studioalbum „Bunter Hund“. Wenn er sich an den „Sommer ’52“ erinnert, dann ist das ungebrochene, reuelose Nostalgie; wenn er in „Drei Jahre und ein Tag“ den wandernden Handwerksburschen besingt, dann feiert er ohne Ironie eine heile Welt von vorgestern; und wenn er einen Song schreibt über ein Verhältnis mit der eigenen Sekretärin, dann muss natürlich klargestellt werden, dass die auch die Ehefrau ist. Dazu verrutscht Mey zuweilen die mitfühlende Metaphorik, so in „Wotan und Wolf“, einer Hymne auf zwei langgediente Wachhunde: „Ja, ja, auch alte deutsche Schäferhunde / träumen noch von einer Schäferstunde.“

So tauglich fürs Poesiealbum die Texte sind, so zahnlos ist auch die musikalische Umsetzung: Nur selten werden die erwartbaren Gitarrenklimpereien etwas aufgepeppt, so mit einer im Vergleich geradezu verwegenen Zigeunergeige, die sich durch „Der Fischer und der Boss“ fiedelt. Ansonsten fällt nur Meys eigenes Wanderliedgepfeife aus dem engen Liedermacher-Rahmen und vielleicht noch das Akkordeon aus „Ich brauch einen Sommelier“, einem der vielen Songs auf diesem Album, mit denen er sein ruhiges, beschauliches, beneidenswert zufriedenes Leben lobpreist. Vielleicht ist es das, das Geheimnis von Mey, dank dem dieses Album auf Platz eins in die deutschen Charts einstieg: Niemand sonst beschreibt dem deutschen Publikum so unverblümt das Glück auf Erden, nämlich ihr eigenes spießiges, ödes, sorgenfreies Dasein in einem der reichsten Länder Welt.

Laub dagegen suchten in den leiseren Tönen stets die Abgründe der menschlichen Existenz. Das Zusammenspiel von elektronischer Moderne und poetischer Radikalität hat das Duo zu einem Liebling der britischen Avantgarde-Bibel The Wire werden lassen. Zerrieben von trockenen Klängen werden auch diesmal wieder die Reime von Antye Greie. Deren Poesie ist auf „Deinetwegen“ allerdings, die Mutterschaft mag schuld sein, längst nicht mehr so radikal und verzweifelt wie in den ersten Jahren des Duos.

Aber: „Deinetwegen zerlege ich die Tage“ ist eine der ersten Zeilen, die Greie singt. Und darum geht es auch prinzipiell: Ums Zerlegen, Zerstückeln, und darum, die so gewonnenen Teile leicht versetzt wieder neu anzuordnen. So reimt Greie, so singt sie auch, so spielt Jotka seine Gitarre, so sind die Rhythmen programmiert. Und so wird – das mag erst einmal erstaunlich klingen für jeden, der das bisherige Schaffen von Laub kennt – auch mit dem Blues verfahren. Jotka imitiert die Größen des Blues, repetiert die Klischees Genres, aber es bleiben nur einzelne Fragmente übrig. Die werden kontrastiert mit Störgeräuschen aus dem Computer und den Texten von Greie, auf dass neue Zusammenhänge entstehen, gänzlich ungewohnte Perspektiven, fast eine Art Meta-Blues. THOMAS WINKLER

Reinhard Mey: „Bunter Hund“ (Odeon/EMI) Laub: „Deinetwegen“ (AGF Producktion/Alive)