berliner szenen Der Zwillingsbruder

8 Ball deluxe

Die Festplatte des neuen Macbooks hatte sich verabschiedet. Deshalb war ich wieder auf meinen alten i-Mac umgestiegen, der fast ein Jahr lang unbeachtet in einer Ecke gelegen hatte. Der alte Computer war langsam, sein altes OS-Herz summte erbärmlich. Eigentlich hätte ich mich darüber freuen sollen, dass er noch lief und so viele alte Dateien treu aufbewahrt hatte. Ich hätte mich daran erinnern sollen, wie gern ich früher mit ihm geschrieben hatte. Stattdessen nannte ich ihn klobig und hässlich.

Dann hatte ich auf einer französischen Internetseite die Simulation eines Flippers – „8 Ball deluxe“ – gefunden, den ich als Teenager oft gespielt hatte. Das Programm war sogenannte Abandonware und lief nur auf veralteten Betriebssystemen. Akustisch war alles das Gleiche wie früher. Ich spielte stundenlang zu den Endlosschlaufen einer fröhlichen Cowboymusik. Das Immergleiche der Vergangenheit wiederholte sich im Immergleichen der Gegenwart. Als ich mich in der Wiederholung eingesperrt hatte, spaltete sich ein zweites Ich ab, stellte sich an den Rand und beobachtete den gefangenen Zwillingsbruder, der wie hypnotisiert auf die Tasten drückte.

Die Spiele, die wir früher spielten, mögen gleichzeitig Aufzeichnungen und Aufzeichnungsträger unterschiedlicher Ordnung sein, aber in Wirklichkeit wiederholt sich nur der Rhythmus der Reize und Reaktionen, dem man sich unterwirft, um ab und zu ein Freispiel zu gewinnen und die Restrealität auf Abstand zu halten. Man könnte auch wieder anfangen, komische Patchworkjacken zu stricken, von morgens bis abends einen Ball an die Wand werfen oder sein inneres Double „interessant interessant“-murmelnd nach draußen schicken. DETLEF KUHLBRODT