Ergebnisse wie zu Sowjetzeiten

UKRAINE Bei den Wahlen in den „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk triumphieren wie erwartet die prorussischen Separatisten. Präsident Poroschenko: Urnengang illegitim

„Ich habe abgestimmt, weil ich die Regierung in Kiew hasse“

WOLODJA AUS DONEZK

AUS KIEW BERNHARD CLASEN

Alexander Sachartschenko, bisher Regierungschef der „Volksrepublik“ Donezk (DNR), wird am Dienstag seinen Amtseid als Präsident ablegen. Vergangenen Sonntag war er bei den international umstrittenen Wahlen in der DNR mit 81,37 Prozent gewählt worden. Auch der Regierungschef der „Volksrepublik“ Lugansk (LNR), Igor Plotnizkij, wurde mit 69,42 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt.

Bei den gleichzeitig abgehaltenen Parlamentswahlen hatten erwartungsgemäß die Parteien „Frieden für Lugansk“ von Plotnizkij beziehungsweise die Partei „Republik Donezk“, deren Chef Alexander Sachartschenko ist, jeweils ungefähr zwei Drittel der Stimmen auf sich vereinen können. Die Wahlbeteiligung lag in beiden Volksrepubliken bei gut 60 Prozent. Im Gebiet Donezk, so der Leiter der Donezker Wahlkommission, Roman Ljagin, hätten 1,1 Millionen Menschen ihre Stimme abgegeben, davon 10 Prozent über das Internet.

Kritiker der Wahl sprechen von zahlreichen Fälschungen. Die Stimmzettel seien nur auf einfachem Papier ausgedruckt worden, viele Wähler hatten ihre Stimme für erkrankte Verwandte abgegeben. Die Wahlbehörde habe hier bei der Ausgabe eines zweiten Stimmzettels eine mündliche Begründung akzeptiert. Abstimmen können habe man nach Vorlage seines Ausweises in jedem Wahllokal. Dadurch, so die Kiewer Tageszeitung Segodnja seien Mehrfachabstimmungen möglich gewesen.

Wer sich an der Wahl beteiligt habe, habe der Regierung in Kiew zeigen wollen, dass man mit ihr nichts mehr zu tun haben wolle. „Ich habe gewählt, weil ich die Regierung in Kiew hasse“, sagt Wolodja aus Donezk. „Wie soll ich loyal zu Kiew sein, wenn Bewaffnete der Kiewer Regierung meine Tochter getötet haben?“

In der Hauptstadt Kiew stießen die Wahlen in den Volksrepubliken auf Ablehnung und Hass. Für Präsident Petro Poroschenko sind die von „Terroristen und Banditen“ organisierten Pseudowahlen illegitim. Der ukrainische Staatssicherheitsdienst hat ein Strafverfahren gegen die Organisatoren der Wahlen wegen des Versuchs, die verfassungsgemäße Ordnung des Landes gewaltsam zu ändern, eingeleitet. Bei einer Verurteilung drohen ihnen Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren.

Auch die USA, China und die Europäische Union machten deutlich, dass man die Wahlen in den ostukrainischen Volksrepubliken nicht anerkennen werde. UNO-Sprecher Farhan Haq nannte die Wahlen nutzlos. Das russische Außenministerium erklärte hingegen, Moskau achte die Willensäußerung der Bewohner im Südosten der Ukraine.

Mit den Wahlen in den Volksrepubliken wurde die Stimmung im Land weiter angeheizt. Es mehren sich Stimmen, die einen völligen Abbruch von Gesprächen mit den Anführern in den Volksrepubliken fordern. Diese Wahlen, so der Kiewer Soziologe Wladimir Fesenko, sollen den Status der Volksrepubliken weiter legitimieren. Dies sei für Kiew absolut inakzeptabel. Mit der DNR und der LNR, so Fesenko, dürfe es keine direkten Verhandlungen geben.

Doch es gibt auch andere Meinungen. Den Donbass mit Waffen zu erobern, werde nicht klappen, schreibt der Journalist Oles Busina in der Segodnja. Jetzt gelte es, Herzen zu erobern, nicht ein Territorium.

Unterdessen geht in der Bevölkerung von Lugansk und Donezk die Angst um. Viele versuchten, aus dem Donbass zu fliehen. „Es wird sicher wieder richtig Krieg geben“, sagte Wadim aus Donezk telefonisch der taz. „Die Frage ist nur noch, wer dieses Mal anfängt.“

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