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Weg mit allem Symbolischen

DIE ANDERE AVANTGARDE „Francesco Lo Savio – Tano Festa. The Lack of the Other“ im ZKM Karlsruhe zeigt die Rationalität der Kunst

VON GABRIELE HOFFMANN

Informel, Tachismus und Action Painting waren in der frühen Nachkriegszeit im Westen die unangefochtenen Avantgarden. Das änderte sich Ende der fünfziger Jahre mit Künstlergruppen wie ZERO, die in ihrer Orientierung von den Entwicklungen in Wissenschaft und Technologie geprägt waren. Namen, die einem dabei einfallen, sind in Europa Heinz Mack, Otto Piene, Richard Paul Lohse, Piero Manzoni und in den USA Ad Reinhardt und Barnett Newman.

Eine Lücke in der Vergegenwärtigung dieser Zeit schließt jetzt das Karlsruher ZKM/Museum für Neue Kunst mit der Ausstellung „Francesco Lo Savio – Tano Festa. The Lack of the Other“. Mitte der 1960er Jahre gehörten die römischen Brüder zu den Vorreitern einer neuen Künstlergeneration. Das Ausstellungsmotto spielt einmal auf den Tod Lo Savios an, des älteren Bruders von Tano Festa, der sich 1963 mit 28 Jahren das Leben nahm. Es enthält darüber hinaus den Hinweis, dass ihre unterschiedlichen künstlerischen Ausrichtungen als dialektische Reaktionen auf den damals herrschenden Subjektivismus in der Kunst zu verstehen sind.

Lo Savio beendet 1955 sein Kunststudium an der Accademia di Belle Arti in Rom und beginnt ein Architekturstudium, das er wenig später abbricht, um sich autodidaktisch mit der Architektur von Bauhaus und De Stijl auseinanderzusetzen. 1958 entstehen erste Bilder zum Thema Licht und Raum. Mit Monochromie und äußerst präzisem Farbauftrag gelingt ihm die Entleerung von allem Symbolischen und Expressiven. Diese Bilder faszinieren durch feine Tonveränderungen. Die Farbe wirkt entmaterialisiert. Es gibt nichts mehr auf der Bildfläche, es gibt nur noch das Bild. Die Überlagerung aufgesprühter Farbe erzeugt ein zur Mitte hin an Farblichtenergie zunehmendes rechteckiges Feld mit innerem Kreis. Die Karlsruher Schau zeigt auch die nächste Stufe der Bildentleerung, die „Filter“. Hier verzichtet Lo Savio auf Farbe, ersetzt sie durch halbtransparente farbige Papiere oder übereinanderliegende Gitter. Das dabei mehrfach gefilterte Licht erzeugt räumliche Dynamik. Es folgen Wandobjekte, mattschwarze metallene Rechtecke mit einem abgewinkelten, in den Raum vorstoßenden Teil. Die Erkenntnis, welchen Einfluss die unterschiedlichen Einfallswinkel des Lichts auf die Raumwirkung haben, nutzt Lo Savio für die Realisierung seiner Idee einer Licht-Raum-Architektur.

Das in Karlsruhe gezeigte Modell der Serie „Articulazione Totale“ besteht aus einem an zwei gegenüberliegenden Seiten offenen weißen Betonkubus, dem ein gebogenes mattschwarzes Metallstück eingepasst ist, konvex oder konkav, je nach Betrachterstandpunkt. Die formale Reduktion auf Quadrat und Kreis bei Gemälden und „Filtern“ findet hier mit der Begrenzung auf Kubus und Kugel eine Fortsetzung. Skizzen und Modelle Lo Savios zu Architektur und Stadtplanung sind Ausdruck seines Interesses an dynamischen Systemen.

Tano Festa, der 1988 starb, ist international noch weniger bekannt als Lo Savio. Von ihm bekommt man in Karlsruhe ausschließlich Malerei zu sehen, die bisher wohl zu Unrecht der europäischen Pop Art zugerechnet wurde. Die farbintensiven Bilder zeigen Figürliches, das auf der Leinwand (oder auf Holz) eine Uminterpretation in abstrakte, die Fläche gliedernde Formen erfährt. Alltägliche Dinge wie Tür, Schrank, Jalousie, Spiegel und Klavier sind die Protagonisten dieser Malerei, mit der Tano Festa Ende der fünfziger Jahre seinen Angriff auf alles Gestische einleitet. Die Dinge bekommen etwas Begriffliches, das sich durch häufige Wiederholung gezielt dem Klischee nähert.

Wenn es etwas Gemeinsames in den Bildern von Lo Savio und Tano Festa gibt, dann ist es die emotionsfeindliche Rationalität. Sie beherrscht auch Tano Festas Umgang mit der Kunstgeschichte. Für eine seiner vielen Analysen von Michelangelos Fresko „Die Erschaffung Adams“ in der Sixtinischen Kapelle benutzt er eine vierfach vertikal unterteilte Fläche, darauf, knapp über dem unteren Bildrand, von links nach rechts der Kopf Adams, sein ausgestreckter Arm, einige weiße Wölkchen auf blauem Grund und ganz rechts die Hand Gottes mit dem ausgestreckten Zeigefinger. Tano Festas Intention, an europäische Meisterwerke zu erinnern, geht so weit, dass er den Arnolfini aus van Eycks Gemälde mit seinem Selbstporträt vereinigt. Wenn es denn der Neuerfindung der Malerei dient, so das Fazit der hervorragend organisierten Ausstellung, lässt Tano Festa auch mal einen Zollstock und eine Wolke sich den Platz auf der Leinwand teilen.

■ Bis 7. August, ZKM Karlsruhe. Ein Katalogbuch ist in Vorbereitung

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